Frage an Mike Nagler von Frank B. bezüglich Verbraucherschutz
Hallo,
eines Ihrer Kernthemen ist die Einführung einer gesetzlichen Regelung für die Zulassung bundesweiter Volksentscheide.
Ich bin ebenfalls der Meinung, unsere Demokratie sollte direkter und vor allem transparenter werden. Aber wie kann verhindert werden, daß Bildzeitung und andere Meinungsmacher zu politischen Hebeln werden?
Anders gefragt, wie sehen Ihre Visionen bezüglich direkter Demokratie konkret aus?
Beste Grüße
Frank
Sehr geehrter Herr Bileke,
vielen Dank für ihre Frage.
Dass von Ihnen vorgetragene Argument wird in der Diskussion über direkte Demokratie/Volksentscheide immer wieder angeführt. Allgemein gesprochen heißt es: die Menschen sind nicht in der Lage, über politische Fragen zu entscheiden, weil ihnen die dazu notwendigen Informationen fehlen und/oder die Bürgerinnen und Bürger leicht durch Meinungsmacher (bestimmte Medien, einzelne Populisten usw.) beeinflusst und auf die „falsche Fährte“ gelenkt werden.
Dazu möchte ich Folgendes sagen:
Wenn man gut informierte und politisch engagierte Bürgerinnen und Bürger haben will (und wer will das nicht?), dann muss man dafür auch Voraussetzungen schaffen. Durch die Möglichkeiten direkter Einflussnahme werden, so denke ich, die Bürgerinnen und Bürger viel mehr als jetzt dazu angehalten, sich zu informieren und – die verschiedenen Ansichten gegeneinander abwägend – sich eine Meinung zu bilden. Direkte Demokratie fördert politisches Interesse und hebt die politische Bildung.
Gleichwohl ist und bleibt direkte Demokratie anfällig für Meinungsmache. Nur geht es der parlamentarischen Demokratie da nicht anders. Ich würde sogar sagen, dass es leichter ist, einzelne Politiker zu beeinflussen (Stichwort: Lobbygruppen) als viele Millionen Menschen, zumal wenn diese durch einen Volksentscheid o.ä. dazu angehalten sind, sich zu einem sie ganz konkret betreffenden Problem eine Meinung zu bilden und diese schließlich auch zeitnah in eine Abstimmung einzubringen.
Zudem: gerade durch Formen der direkten Demokratie können Themen „erzwungen“ werden, die durch die politischen Repräsentanten nicht oder nur unzureichend beachtet werden. Ein solches Auf-die-Tagesordnung-Setzen führt in der Regel auch zu einer gesteigerten medialen Aufmerksamkeit.
Gleichwohl: Meinungen werden immer gemacht – im Einzelnen wie in einer Gruppe. Entscheidend ist „nur“, wie diese Meinungsmache aussieht. In der direkten Demokratie, so wie ich sie mir vorstelle, erfolgt sie nicht durch einige wenige Meinungs-Monopolisten in den Medien, der Politik oder sonst irgendwo, sondern durch die Beschäftigung vieler Einzelner mit einem Thema. Eine Beschäftigung, die sich am Ende ganz konkret in einer Wahl, z.B. einem Volksentscheid, niederschlägt.
Im Übrigen: zwar suggeriert das mediale Bild vom Politiker, dass er sich mit allem und jedem auskennt, doch ist dies keineswegs der Fall. Gerade Berufspolitiker sind über das, worüber sie entscheiden, nicht immer ausreichend informiert. Direkte Demokratie kann hier einen Ausgleich schaffen.
Nebenbei bemerkt: Ich fände es einen Fortschritt im allgemeinen politischen Stil und Umgang miteinander, wenn Politiker ihre – durch die Vielzahl an Informationen und Themen – gar nicht zu vermeidende Unwissenheit in einzelnen Bereichen nicht verstecken, sondern offen zugeben würden. Auch dadurch würden die Bürgerinnen und Bürger angehalten, sich selbst eine Meinung zu bilden und diese schließlich auch kund zu tun.
Meine Vision von direkter Demokratie beinhaltet somit das Mündigmachen der Bürgerinnen und Bürger. Nicht mit dem Ziel, alle politischen Repräsentanten abzuschaffen, sondern ihnen die Bürgerinnen und Bürger gleichberechtigt zur Seite zu stellen, um die sie betreffenden Probleme, Sorgen und Nöte auf die politische Tagesordnung zu setzen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Direkte Demokratie ist für mich gelebte Demokratie.
Beste Grüße,
Mike