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Mike Nagler
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Frage von Bärbel T. •

Frage an Mike Nagler von Bärbel T. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Nagler,
Sie sind Spitzenkandidat der Linken in unserem Wahlkreis. Da ich Sie noch nicht persönlich kennenlernen konnte und auch sonst noch wenig von Ihnen hörte, ich aber immer Linkswähler war, möchte ich Ihre Meinung zu nachfolgender Problematik wissen.
In Zeiten knapper Kassen, soll in Leipzig ein Denkmal errichtet werden zum Gedenken an die friedliche Revolution. Sie waren damals sicherlich noch nicht dabei im Jahre 1989, denke ich zumindest. Sie waren noch zu jung.
Der größte Teil der Bevölkerung Leipzigs lehnt ein solches Denkmal ab, da es an einem Platz errichtet werden soll, der nichts mit der Rev. zu tun hatte und dessen Entwürfe auch nichts mit der Revolution zu tun haben, außerdem haben Wessis die Entwürfe gestaltet, die keine Ahnung haben, was damals los war. Es gibt bereits den Nikolaikirchhof mit der Säule und dem Brunnen. Den könnte man durch Beschriftung aufwerten. Oder ähnlich wie die Notenroute, könnte man Fußspuren von der Nikolaikirche zum Augustusplatz legen. Sollte das Geld reichen, auch um den Ring. Das wäre ein wahres Gedenken und bestimmt nicht so teuer. Die jetzigen Entwürfe erfordern eine ständige Nachpflege, die immer Geld kosten würden. Wenn es nicht anders lösbar ist, sollte man eine Volksbefragung unter den Leipzigern durchführen. Denn zur Zeit bestimmen mal wieder die, die damals gar nicht in Leipzig, nicht mal in der DDR, gelebt haben. Aber genau das wollen wir nicht!
Wie stehen Sie zu dieser Problematik? Können Sie nicht Einfluss auf dieses unsinnige Vorhaben nehmen?
Mit freundlichem Gruß
Bärbel Tonndorf

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Sehr geehrte Frau Tonndorf,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich sehe die Entwicklungen ähnlich kritisch und meine Meinung dazu ist, nach wie vor, dass man bei solchen Entscheidungen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt selbst befragen soll.

Das Thema ist durchaus komplex. Fakt ist, dass der Bundestag 2007 beschlossen hat, in Berlin ein solches Denkmal zu errichten und ebenfalls in Leipzig an die Ereignisse zu erinnern. Der Bund, der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig (d.h. der Stadtrat) haben beschlossen, auch in Leipzig ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu installieren. Seitdem gab es Architekturwettbewerbe und auch Bürgerbeteiligung auf verschiedenen Wegen.

Auch ich habe den Eindruck, dass viele Leipzigerinnen und Leipziger diesen Beschlüssen kritisch gegenüberstehen und wiederum viele Menschen mit den Gestaltungsvorschlägen, die in der Diskussion sind, nicht zufrieden sind - auch wenn sie vielleicht eine positive Einstellung zum Denkmal haben.

Es gab verschiedene Versuche der Fraktion der Linken im Stadtrat, den Willen der Bürger der Stadt Leipzig zu stärkerer Berücksichtigung zu bringen bzw. die Leipzigerinnen und Leipziger direkt einzubeziehen (z.B. durch einen Bürgerentscheid). Diese Versuche waren leider nicht erfolgreich.

Theoretisch könnte ein Bürgerbegehren das Vorhaben noch beeinflussen, vorausgesetzt, es wäre zulässig und die erforderlichen rund 25.000 Unterschriften würden zusammen kommen.

Ich persönlich habe mich gerade stark bei dem Bürgerbegehren "Privatisierungsbremse" engagiert, wir haben die 25.000 Unterschriften gesammelt, das Bürgerbegehren befindet sich aktuell in der Prüfung. Ich muß zugeben, daß ich zur Zeit ein weiteres Bürgerbegehren zum Thema Freiheits- und Einheitsdenkmal nicht selbst anstoßen kann, zumal die Frage der Zulässigkeit (aufgrund der bisher getroffenen Entscheidungen) schwierig ist und eher problematisch erscheint.

Auch wenn wir es uns wünschen würden - im Moment ist keine Möglichkeit in Sicht, das Denkmal etwa grundsätzlich an diesem Ort abzulehnen, aus welchen Gründen auch immer. Es gibt hier demokratisch zu Stande gekommene Entscheidungen, die zu akzeptieren sind - auch, wenn wir wissen, daß parlamentarische (und damit demokratische) Beschlüsse nicht immer "Volkes Wille" widerspiegeln.

Ich finde es aber wichtig, die Diskussion über Sinn, Zweck und Ausgestaltung des Denkmals öffentlich unter weitestgehender Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu führen. Eine mögliche Ebene für diesen Austausch ist die Ratsversammlung, der Stadtrat - es ist jederzeit möglich, dort eine Einwohneranfrage einzubringen, die dann schriftlich oder mündlich in der Ratsversammlung vom Oberbürgermeister zu beantworten ist.

Als weitere Möglichkeit bleibt die Einbeziehung der Öffentlichkeit. Hier kann auch ich mich einbringen und die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger einfließen lassen.

Meiner Meinung nach sollten die bis jetzt favorisierten Entwürfe soweit entwickelt werden, dass mit ihnen eine stadtplanerisch sinnvolle und nachhaltige Gestaltung des Wilhelm-Leuschner-Platzes verbunden ist. Dazu gehören - wie von Ihnen angesprochen - die Beachtung der laufenden Kosten des Denkmals, aber auch gestalterische Aspekte, die z.B. mit einen wirklichen "Volkspark" auch eine - wenn auch historisch am "falschen" geografischen Ort - erlebbare Würdigung der Ereignisse des Herbstes 1989 unter dem Motto "Wir sind das Volk" möglich machen.

Nicht zu vergessen ist, dass wir ja eine Reihe Denkmäler in der Stadt haben, die an die Ereignisse erinnern, wie bspw. die Säule auf dem Nikolaikirchhof oder auch die Demokratieglocke auf dem Augustusplatz. Ich habe leider auch den Eindruck, dass sich Entscheidungsträger in unserer Stadt sehr gern Jahr für Jahr in historisierenden Festen verlieren um der friedlichen Revolution zu gedenken, gleichzeitig aber die Augen vor dem Demokratiedefizit der heutigen Zeit verschließen. Mit der Demokratieglocke auf dem Augustusplatz verhält es sich nämlich sehr ähnlich, wie mit unserer Demokratie. Sie hat eine schöne glänzende Fassade, aber innen ist sie leider hohl. Demokratie muss auch gelebt werden können und dazu ist es notwendig, dass solche Entscheidungen nicht über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg getroffen werden.

http://mikenagler1.wordpress.com/2011/10/09/demokratie-statt-denkmal/

Mit freundlichen Grüßen,

Mike Nagler