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Frage von Uwe A. •

Frage an Mike Nagler von Uwe A. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Nagler,

wie ich lese sprechen sie sich gegen Studiengebühren aus. Meinen Sie wirklich wir können uns kostenlose Hochschulbildung noch leisten? Warum nicht eine geringe Gebühr? 500-2000 Euro pro Semester sollten doch für jeden Studenten erschwinglich sein.

U.Albrecht

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Albrecht,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich bin der Ansicht, dass wir uns eine kostenlose Hochschulbildung leisten MÜSSEN, wobei ich hinzufügen möchte, dass Gebührenfreiheit für das gesamte Bildungssystem notwendig ist. Ich will das – mit besonderem Blick auf die Situation in den Hochschulen – kurz erläutern und begründen.

Zunächst einmal möchte ich der Annahme widersprechen, es sei einfach nicht (mehr) genügend Geld da, um eine kostenlose Hochschulbildung zu gewährleisten. Nach wie vor gibt es in der Bundesrepublik genug "monetäre Verteilungsmasse", um den öffentlichen Bildungssektor vollständig auszufinanzieren. Woran es aber fehlt, ist – vor allem bei CDU/CSU und FDP – der politische Wille, die Gelder in diesem Bereich entsprechend einzusetzen. Es ist somit kein Wunder, dass der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Vergangenheit immer weiter gesunken ist. Gleiches gilt für die Hochschulausgaben.

Demgegenüber sind Vertreter der genannten Parteien, aber auch Teile der SPD – im Zusammenarbeit mit neokonservativen Lobbygruppen und sog. "Think Tanks" wie dem dem Bertelsmann finanzierten Centrum für Hoschulentwicklung (CHE) – in den vergangenen Jahren nicht müde geworden, den von ihnen vertretenen Privatisierungswahn auch auf den Bildungsbereich auszudehnen. Studiengebühren spielen dabei eine entscheidende Rolle. Fakt aber ist, dass Gebühren – in welcher Höhe auch immer – sozial selektiv wirken. Die Erfahrungen in zahlreichen europäischen Ländern (z.B. Österreich, GB u.a.), aber auch anderswo (etwa in Australien) haben gezeigt, dass die Einführung von Studiengebühren die vorhandenen sozialen Ungerechtigkeiten bei der Partizpation am Bildungswesen nur noch weiter verstärken. Durch Gebühren werden Kinder aus bildungsfernen bzw. einkommensschwachen Schichten noch stärker als es bereits ohne Gebühren der Fall ist von einer Hochschulausbildung fern gehalten, um nicht zu sagen abgeschreckt. So sank in Hessen nach der Einführung von Studiengebühren die Zahl der Neuimmatrikulationen im WS 2007/08 um über 5%. In NRW war der Rückgang nach der Einführung (WS 2006/07) mit 6,5% noch stärker, und das, obwohl die Zahl der Hochschulzugangsberechtigten zur gleichen Zeit um fast 5% gestiegen war. Dieser Trend hat sich – trotz der vermeintlich geringen Gebührenhöhen – bundesweit fortgesetzt und manifestiert. Er ist im Übrigen auch empirisch belegt. So hat eine vom Hochschul-Informations-System (HIS) durchgeführte Studie ("Studiengebühren aus der Sicht von Studienberechtigten") ergeben, dass sich im Jahr 2006 rund 18.000 Abiturienten ausdrücklich wegen Studiengebühren gegen ein Studium entschieden. Die Studie fand zudem heraus, dass es sich hierbei vor allem um Menschen aus bildungsfernen Familien handelt.

Darüber hinaus erzeugt die Einführung bzw. die Existenz von Studiengebühren einen Anpassungsdruck dahingehend, dass nicht mehr nach persönlichen Interessen und Vorlieben, sondern einzig und allein "auf Rendite" studiert wird, d.h. die Wahl der Studienfächer bemisst sich dann dem durch den entsprechenden Abschluss erwarteten Einkommen. Damit wird nicht nur die für eine funktionierende Bildungslandschaft notwendige Fächervielfalt an der Hochschulen unterminiert, sondern auch unter der Hand die Wahlfreiheit der Studierenden selbst eingeschränkt. Von einem souveränen Kunden, als welcher der Studierende in den Hochglanzbroschüren der Gebührenverfrechter immer wieder erscheint, kann weder hier noch anderswo die Rede sein. Was wir meiner Ansicht nach in den Hochschulen, aber gewiss nicht nur dort brauchen, ist demnach keine Kundenmentalität, sondern sind aktive Partizipationsmöglichkeiten und (drittel-)paritätische Besetzungen in den entsprechenden Gremien. Studieren heißt eben gerade nicht ein fertiges Produkt (Bildung) konsumieren, wie es das Bild vom Kunden nahe legt, sondern aktiv an der (selbst-)kritischen Erzeugung und Verbreitung von Bildung mitzuwirken. Gebühren bieten dafür keinen Raum. Im Gegenteil, sie engen das Feld der tatsächlichen Möglichkeiten nur noch weiter ein.

Stattdessen muss es darum gehen Bildungszugangshürden abzubauen und keine neue zu errichten. Ich setze mich bereits seit vielen Jahren für ein gebührenfreies Studium und eine gerechte Ausfinanzierung der Hochschulen ein und verweise an dieser Stelle noch auf einige vergangene Statements zum Thema Gebühren die ich noch immer teile.

http://www.stura.uni-leipzig.de/kss-cms/fileadmin/kss/pressemitteilungen/2004/PM_07_2004_040328_Mobil_gegen_Studiengebuehren.pdf

http://www.stura.uni-leipzig.de/kss-cms/fileadmin/kss/pressemitteilungen/2004/PM_09_2004_040611_Kritik_an_HRK.pdf

Anbei der Verweis auf das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren welches ich voll und ganz unterstütze. http://abs-bund.de

Beste Grüße,

Mike Nagler