Frage an Mike Nagler von Johanna S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Nagler,
auf einer Veranstaltung zur Finanzkrise haben Sie die Rettung der Commerzbank kritisiert und bezüglich der Gelder, die für die Rettung der Commerzbank ausgegeben wurden, von einer Verschwendung von Steuergeldern in enormen Höhen gesprochen. Nun wurde Commerzbank mittlerweile sogar verstaatlicht. Mich würde daher interessieren, wie Sie den Prozess der Bankenrettung im Allgemeinen und den der Commerzbank im Besonderen beurteilen?
Sehr geehrte Frau Schütz,
vielen Dank für Ihre Frage.
Mit dem Bad-Bank-Gesetz welches der Bundestag vor wenigen Wochen verabschiedet hat, hat er einen Freischein für die Finanzwirtschaft ausgestellt welche sich nun auf Kosten des Steuerzahlers saniert. Es ist immer wieder interessant mit welcher Selbstverständlichkeit die Ansprüche der Banken gestellt werden und dann von unseren politischen “Eliten” durchgewunken werden. Wahrscheinlich ist dem Großteil der Abgeordneten überhaupt nicht bewusst gewesen, dass sie mit dieser Entscheidung, das mit hoher Sicherheit für den Steuerzahler teuerste Gesetz überhaupt verabschiedet haben. Das ganze Gesetz ist ein Skandal der vor allem darin liegt, dass Banken öffentliche Gelder in mehrstelliger Milliardenhöhe zugeschoben werden ohne demokratische Kontrolle einzufordern. Die Verantwortlichen in der Politik die uns durch Fehlentscheidungen in diese Lage gebracht haben werden nicht zur Verantwortung gezogen und letztlich wird die demokratische Kontrolle über gesamtgesellschaftlich relevante Entscheidungen abgegeben.
Einerseits werden hier Milliarden zukünftiger Steuergeldern bereitgestellt um die Spekulationen der letzten Jahre und die aktuellen zu subventionieren und auf der anderen Seite wird damit bereits der nächste große Schlag gegen die Bürgerinnen und Bürger und den Sozialstaat vorbereitet. So können Banken munter weiter für spekulative Fonds werben. Das, was hier passiert, ist ein enormer Angriff auf den Sozialstaat und unsere Sozialsysteme – es werden Garantien für faule Wertpapiere in dreistelliger Milliardenhöhe gegeben und gleichzeitig Lohnverzicht, Massenentlassungen und die nächste große Runde Privatisierung und Sozialabbau nach den Wahlen vorbereitet. Die Gewinne werden privatisiert und die Verluste sozialisiert und der Trend von Privatisierung und Deregulierung soll fortgesetzt werden. Man kann nur hoffen, dass die politisch Verantwortlichen zu den Bundestagswahlen enorm abgestraft werden. Mit dem Bad-Bank-Gesetz handeln sie den Interessen der Bürgerinnen und Bürger diametral entgegen ohne überhaupt eine öffentliche Debatte darüber zugelassen zu haben.
Speziell zum Beispiel der Commerzbank:
In der Diskussion hatte ich die "Rettung" dahingehend kritisiert, dass öffentliche Gelder gegeben werden ohne demokratische Kontrolle einzufordern. Es ging vor allem auch um die Geschäfte und Transaktionen mit Zweckgesellschaften in Steueroasen. Die Bundesregierung will nicht in das Geschäftsgebaren der verstaatlichten Bank eingreifen. Die Commerzbank wirbt trotz der Milliarden Steuergelder, die sie erhalten hat, munter weiter mit Zertifikaten bzw. Wettpapieren. Es hat keinerlei Umdenken stattgefunden... alles läuft so weiter wie vor der "Rettung". Für mich unterstreicht diese Tatsache noch einmal meine Position: Ohne Einfluss geltend zu machen um demokratische Kontrolle zu gewährleisten kann eine solche Bankenrettung eben nicht funktionieren. Darum gehören Banken in öffentliche Hand! Sehen Sie hierzu auch einen ganz interessanten Beitrag auf den Seiten des ZDF:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/782706?inPopup=true
Die Commerzbank ist noch immer in zwei Dutzend Finanzoasen präsent. Durch das Einkaufen der Bundesregierung als Hauptaktionär in die Commerzbank wurde gleichzeitig die an die Commerzbank verkaufte Dresdner Bank vor der Pleite gerettet. Da Finanzminister Steinbrück seit einiger Zeit vehement gegen Steuerhinterziehung auftritt und auch die G8- und G20-Staaten wiederholt der Steuerhinterziehung den Kampf angesagt haben, könnte man erwarten, dass die Bundesregierung gerade bei diesen (teil-)verstaatlichten Banken ihre Ziele durchsetzt. Davon ist allerdings bisher nichts zu sehen. Stattdessen gestaltet die Regierung ihren 25 Prozent-Anteil an der Commerzbank nur als „stille Einlage“, sie verzichtet damit sogar auf ihre Rechte als Aktionär und will auf keinen Fall in das „operative Geschäft“ eingreifen. Auch alle krisenverursachenden Finanzkonstrukte wie Hedge- und Private Equity Fonds, außerbilanzielle Zweckgesellschaften, Verbriefungen u.ä. dürfen weitergeführt werden – im Maximalfall werden sie ein wenig genauer „registriert“. Diese Entwicklung ist ein Skandal.
Aus dem Anteilsbesitzverzeichnis für das Jahr 2008 ist zu entnehmen, dass Commerzbank und Dresdner Bank in zahlreichen Finanzoasen tätig sind. Dabei handelt es sich um Tochterunternehmen, Zweckgesellschaften und Spezialfonds, die dort mit eigener, landesüblicher Rechtsform und eigenem, wenn auch niedrigem Eigenkapital ständig präsent sind. Die hundertprozentigen Tochtergesellschaften der Commerzbank in den klassischen Finanzoasen Zürich, Luxemburg, auf den Bermudas und im US-Staat Delaware geben Anlass zur Vermutung, dass hier Geschäfte abgewickelt werden, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Ähnlich ist es - um nur ein Beispiel zu nennen - wenn der operative Sitz der Tochtergesellschaft „Commerz Europe“ in der irischen Finanzoase Dublin getrennt ist vom juristischen Sitz, der in der US-Oase Delaware liegt. Ich will das hier nicht weiter ausdehnen, weitere ausführlichere Informationen zum Themen Bankenrettung, Finanzmarktkrise und Steueroasen finden Sie auf meiner Webseite oder auf den Seiten des Netzwerks Steuergerechtigkeit.
Ich möchte noch einmal auf unsere europaweiten Ausstellung zum Thema verweisen, an der wir seit gut einem Jahr im Rahmen des Netzwerks Steuergerechtigkeit arbeiten. Die Wanderausstellung stellt Steueroasen und Offshore Zentren in Europa vor. Ausstellen werden wir Fotos von realen Steueroasen und Offshore Zentren mit Hintergrundinformationen. Zur Vorbereitung der Ausstellung lief über das letzte halbe Jahr ein Fotowettbewerb. Die Eröffnung wird Mitte September in Leipzig in der "Skala" in der Gottschedtstraße stattfinden. Ich würde mich freuen wenn Sie vorbeischauen.
Beste Grüße,
Mike Nagler