Frage an Michail Nelken von Katia M. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Doktor Nelken,
zu Beginn des nächsten Jahres sollen für internettaugliches Computer Fernsehgebühren gezahlt werden. Soweit es mir bekannt ist, war dies eine Länderentscheidung. Als jemand, der seit 16 Jahren ohne Fernseher lebt, den PC und das Internet regelmäßig nutzt, fühle ich mich hier regelrecht ausgenommen. Wieso soll ich für ein Medium Geld bezahlen, daß ich a) nicht nutze und b) auch aus vielen Gründen nicht gutheiße? Ein Medium, dessen Auswirkungen bestenfalls mit großer Ambivalenz zu bewerten ist?
Wenn die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten unbedingt im Internet präsent sein wollen, dann steht es ihnen doch frei, diese Angebote kostenpflichtig zu machen und direkt dort Gebühren einzutreiben. Aber vollkommen uninteressierte Internetnutzer zur Kasse zu bitten, ist doch in jeder HInsicht absurd und ungerecht.
Ich möchte mich nicht an der Finanzierung von Fernsehprogrammen beteiligen. Würde es um den Ausbau, Erhalt und die Einrichtung von Bibliotheken oder die Verbesserung der Betreuung von Kindern und Jugendlichen bzw. um die Fürsorge für ältere Menschen gehen, sähe dies anders aus.
Vermutlich können die Länder ein von ihnen verabschiedetes Gesetz auch wieder außer Kraft setzen.
Welche Position vertritt die Linkspartei in dieser Amgelegenheit?
Mit freundlichen Grüßen
Katia Moya
Sehr geehrte Frau Moya,
zugebener Maßen habe ich mich mit diesem Problem überhaupt noch nicht befasst. Ein Nachfrage bei den für Medienpolitik fachlich zuständigen Fraktionskollegen ergab etwa folgendes:
Im Rahmen des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages der Länder wurde auch der Rundfunkgebührenstaatsvertrag geändert. In der Tat soll durch die Neufassung des § 5 (Zweitgeräte, gebührenbefreite Geräte) dieses Vertrages unter Absatz (3) die Gebühr für Computer mit Internetzugang zum 01.01.2007 eingeführt werden.
Die Medienpolitiker der Linkspartei.PDS halten diese Regelung zur Erhebung von Rundfunkgebühren für internetfähige PCs schon deshalb für unzulässig, weil nicht alle öffentlich-rechtlichen Programme im Live-Stream auf Dauer und ohne Unterbrechung von hierfür tauglichen PCs empfangen werden können. Deshalb und auch aus anderen Gründen mangelnder Gebührengerechtigkeit setzen sich die PDS-Fachpolitiker in den Landesparlamenten für eine Änderung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ein, was bedeutet , dass die Länder sich in Nachverhandlungen auf eine Neufassung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages einigen müssten.
Dazu und zu ihrem Brief noch zwei Anmerkungen meinerseits. Erstens scheint mir die Kraft der Linkspartei in den ostdeutschen Landesparlamenten doch so sehr begrenzt, dass sie kaum zu einer Neuverhandlung des Staatsvertrages führen wird. Von der Stärke der Berliner Linkspartei und einer Regierungsbeteiligung wird ihr Einfluss auf die Berliner Landespolitik abhängen. Aber selbst wenn es uns gelingen sollte, in dieser Frage die Berliner Landespolitik maßgeblich zu bestimmen, bräuchte Berlin noch die Mehrheit der anderen Länder für eine Korrektur.
Zweitens. Ich meine, dass das öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen eine sinnvolle und gesellschaftlich nützliche Einrichtung ist, auch wenn ich kaum Fernsehen schaue und wenig Rundfunk höre. Die Gebührenfinanzierung ist eine wesentliche Bedingung dieses Systems. Mit den Veränderung in den Kommunikationstechniken, dem entfallen der herkömmlichen Empfangstechnik. sind Schritte für die Aufrechterhaltung dieses Systems geboten. Auch bisher wird die Gebührenpflicht nicht von einer tatsächliche Nutzung des Angebots der öffentlichrechtlichen Sender ausgelöst, sondern allein schon von der Möglichkeit des Empfangs.
Die Anpassung des Gebührenrechts an die neuen Möglichkeiten des PC scheint aus sich der Experten unserer Partei gescheitert. Mann sollte wohl auch bedenken, dass jedes Handy zukünftig neben Rundfunk auch Fernsehen empfangen können wird oder dass die Trennung der Kommunikationsmedien darüber hinaus gerade aufgehoben wird.
Vielleicht bedarf die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehens eines genauso innovativen Schub.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michail Nelken