Frage an Michaela Noll von Randy Nel G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Noll,
ich besitze zwei Unternehmen, die Internetdienstleistungen anbieten. Nach dem von Ihnen beschlossenen Gesetz sind meine Unternehmen dazu verpflichtet, die Verbindungsdaten meiner Kunden zu speichern. Früher war genau dass nur zu Abrechnungszwecken erlaubt und danach wurden die Daten gelöscht.
Bei uns wurden die Daten gar nicht erst erhoben, da alle Leistungen pauschal abgerechnet worden sind.
Die Daten sollen also nicht in irgendeiner Behörde aufbewahrt werden, sondern auf Servern von Privatunternehmen.
Ich kann meinen Mitarbeitern nur vor den Kopf schauen und nicht garantieren, dass Daten nicht gestohlen, oder sonst wie weitergegeben werden. Genau genommen haben wir noch nicht einmal die Möglichkeit 100%ig festzustellen, ob ein solcher Vorfall stattgefunden hat.
Wenn wir als Unternehmen bei solchen Gesetzen den Datenschutz nicht mehr sicherstellen können, wie können Sie genau dass gegenüber Ihren Bürgern garantieren?
Die Problematik zieht sich durch alle Bereiche unsere Alltags.
Mit freundlichen Grüßen aus Wülfrath
Randy Nel Gupta
Sehr geehrter Herr Gupta,
vielen Dank für Ihre E-Mails vom 16. sowie 21.11.2007, in denen Sie die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in nationales Recht kritisieren.
Ich habe insofern Verständnis für Ihre Bedenken, als dass sich die Rechtspolitik im Bereich der Telekommunikationsüberwachung tatsächlich in einem Spannungsfeld bewegt. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das auch von Ihnen zitierte Bundesverfassungsgericht hat stets das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betont. Zugleich jedoch hat es ebenso das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.). Der Grundrechtsschutz der Bürger und das Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen also in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Aus rechtspolitischer Sicht sollten dabei die gegebenen Ermittlungsinstrumente nicht weiter beschränkt werden, als dies verfassungsrechtlich geboten ist.
Das Ermittlungsinstrument der sogenannten Vorratsdatenspeicherung ist für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar. Vielleicht ist Ihnen als Anbieter von Internetdienstleistungen bekannt, dass Telekommunikationsunternehmen auch bislang schon Verbindungsdaten - keine Gesprächsinhalte - zu Abrechnungszwecken speichern durften. Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht (§§ 100g u. h StPO). Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme sogenannter "Flatratetarife", bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich ist, drohte es jedoch mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Bereits deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen. Die bisherigen Schutzvorkehrungen sind dabei uneingeschränkt beibehalten worden.
Nicht zuletzt diese Überlegungen haben die Bundesregierung bewogen, der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zuzustimmen. Die Bundesregierung hat dies mit Unterstützung des Deutschen Bundestages getan. In dem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 7. Februar 2006 (BT- Drs. 16/545), der mit der Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundestages angenommen wurde, wurde die Bundesregierung aufgefordert, dem Text der Richtlinie bei der abschließenden Befassung des Rates der Europäischen Union zuzustimmen. Auch der Deutsche Bundestag hat in diesem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten bei bestimmten Straftaten unverzichtbar ist. Hierzu gehören insbesondere Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind sowie mittels Telekommunikation begangene Straftaten.
Dem Deutschen Bundestag war dabei bewusst, dass das hierfür gewählte Instrument der Richtlinie möglicherweise nicht ganz frei von kompetenzrechtlichen Risiken ist. Er hat sich dennoch dafür ausgesprochen, weil es sich insoweit um einen Kompromiss der EU-Mitgliedstaaten gehandelt hat und es jedenfalls gelungen ist, in der Richtlinie Regelungen mit Augenmaß (z. B. keine Speicherung von Gesprächsinhalten, Beschränkung der Speicherungsfrist auf sechs Monate, Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten) zu erreichen. Nur deshalb, weil die Bundesregierung diesen Weg der Richtlinie mitgetragen hat, hatte sie die Möglichkeit, diese Kautelen im Text der Richtlinie zu verankern.
Die Richtlinie wird mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie Nr. 2006/24/EG (BT-Drs. 16/5846; 16/6979), das am 9. November im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, in nationales Recht umgesetzt. Mit dem Gesetz werden die oben genannten Vorgaben, mit denen sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung getragen wird, eingehalten: Von den Telekommunikationsunternehmen dürfen nur die Verkehrsdaten gespeichert werden. Die Speicherungsfrist ist auf sechs Monate begrenzt. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft über diese Daten ist nach wie vor an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat, die mittels Telekommunikation begangen wurde; keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung; Richtervorbehalt) geknüpft. Eine anderweitige Verwendung dieser Daten ist nur zu Zwecken der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit möglich, wenn dies gesetzlich unter Beachtung der Verwendungsbeschränkungen im Telekommunikationsgesetz festgelegt ist. Eine Verwendung beispielsweise zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist nicht zulässig.
Grundsätzlich kann ich Ihnen versichern, dass es keineswegs Ziel der sogenannten Vorratsdatenspeicherung ist, einen für den Staat durchsichtigen Bürger zu schaffen. Vielmehr war es sowohl bei Formulierung der Richtlinie als auch bei ihrer Umsetzung entscheidend, dass den rechtsstaatlichen Anforderungen in vollem Umfang genügt würde. Es würde mich daher freuen, wenn ich mit den obigen Ausführungen einige Ihrer Bedenken zerstreuen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Michaela Noll, MdB