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Frage von Sigrid B. •

Frage an Michaela Noll von Sigrid B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ich habe die Information bekommen, dass die nächste Sammelabschiebung nach Afghanistan am Dienstag, den 12.09.2017 stattfindet. Der Flieger soll vom Flughafen Düsseldorf gehen.
Es sind 15 Afghanen gemeldet worden.
Soweit bekannt sind von 15 Abgeschobenen 3 Straftäter aus NRW und wahrscheinlich ein Straftäter aus Hamburg.

Wann wird die Abschiebung nach Afghanistan für Nichtkriminelle endlich generell ausgesetzt. Das Land ist nicht sicher, es herrschen Taliban, vermehrt IS, Krieg und Terrorismus. Die Vorstellung, dass unser minderjähriger afghanischer Pflegesohn in diesen Zeiten nach Kabul abgeschoben werden könnte, macht uns fassungslos und wütend. Plant die CDU, diese Unmenschlichkeit zukünftig weiter zu praktizieren? Gibt es Chancen auf den Verbleib in Deutschland?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau B.,

haben Sie Dank für Ihre Anfrage vom 7. September dieses Jahres über die Plattform www.abgeordentenwatch.de, mit welcher Sie nach der generellen Aussetzung von Abschiebungen für Nichtkriminelle nach Afghanistan fragen.
Lassen Sie mich eines vorweg sagen: Den Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, müssen wir helfen. Das ist unsere humanitäre Pflicht. Dieser humanitären Verpflichtung werden wir auch weiter gerecht werden. Dabei müssen alle politischen Entscheidungen - nicht nur in der Flüchtlingspolitik - im Einklang mit dem Grundgesetz und somit mit den Menschenrechten stehen.
Zugleich ist es wichtig, in einem schnellen Verfahren zwischen denen zu unterscheiden, die nur aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen und den Menschen, die politisch verfolgt werden oder durch einen Bürgerkrieg in Lebensgefahr geraten sind und die bei uns weiterhin ein Bleiberecht haben sollen. Schließlich können so die Kapazitäten von Bund und Ländern besser eingesetzt werden und die Versorgung vor Ort verbessert werden. Dies bringt es mit sich, dass Menschen ohne Bleiberecht unser Land auch wieder verlassen müssen. Maßnahmen zur Rückführung müssen wir verantwortungsvoll, aber gleichzeitig konsequent durchführen. Integration für die Menschen, die hier einen Anspruch auf Schutz haben und Rückführungen derjenigen, die ausreisepflichtig sind, gehören zusammen.
Was die von Ihnen angesprochenen Abschiebungen gerade nach Afghanistan anbelangt, möchte ich noch auf folgende Aspekte hinweisen: Zum einem sind die jeweiligen Landesregierungen und damit auch Nordrhein-Westfalen dafür zuständig, die in ihrem Landesgebiet wohnhaften Asylsuchenden, die in der Bundesrepublik Deutschland kein Bleiberecht haben, abzuschieben. Eine Bundeszuständigkeit ergibt sich nur über eine Einbindung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), welches über das Bleiberecht des Asylanten als solches entscheidet. Die Umsetzung einer Abschiebung ist nach der derzeit geltenden Vorschriftenlage dann dem jeweiligen Bundesland überlassen. Insofern kann Ihnen nur die nordrhein-westfälische Landesregierung beantworten, wie sie solche Fälle in der nächsten Zukunft handhaben will.

Zum anderen lag die Schutzquote für afghanische Asylbewerber in Deutschland mit 55,8 Prozent fast doppelt so hoch wie im EU- Durchschnitt (32 Prozent). Vor diesem Hintergrund ist die Zahl der jährlichen Rückführungen afghanischer Staatsangehöriger aus Deutschland damit vergleichsweise gering. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und eine gefestigte Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte haben mehrfach bestätigt, dass Rückführungen nach Afghanistan im Einzelfall möglich sind. Hiervon macht Deutschland nur sehr behutsam Gebrauch. Bislang werden etwa nur alleinstehende Männer zurückgeführt (67 im letzten Jahr). Andere EU-Mitgliedstaaten – wie die Niederlande, Großbritannien, Schweden und Dänemark und Norwegen – führen Personen in deutlich höherem Umfang nach Afghanistan zurück.

Die Bundesregierung setzt auf die freiwillige Rückkehr und wird dies auch in Zukunft fortsetzen und weiter ausbauen. Das Instrument der freiwilligen Rückkehr funktioniert aber nur dann, wenn wir gleichzeitig auch die zwangsweise Abschiebung solcher ausreisepflichtiger Personen, die nicht freiwillig zurückkehren, konsequent durchsetzen. Übrigens sprechen die Zahlen der freiwilligen Rückkehrer nach Afghanistan eine deutliche Sprache. Über 3.300 freiwillige Rückkehrer sind im vergangenen Jahr zu verzeichnen. Noch weitaus höher ist die Zahl der freiwilligen Rückkehrer aus benachbarten Ländern: Aus Pakistan kehrten 2016 immerhin mehr als 600.000 Menschen zurück nach Afghanistan. Sie sehen also offenbar eine Zukunft im Land. Einer der Gründe für diese freiwillige Rückkehrbereitschaft sind die deutlichen Fortschritte, die Afghanistan seit 2001 gemacht hat, etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Infrastruktur, Frauenrechte oder in der staatlichen Verwaltung.

Die Menschen, die bei uns die demokratischen Grundwerte und Menschenrechte kennengelernt haben, können in ihrer Heimat als Multiplikator wirken. Die Rückkehr ist auch deshalb so wichtig, weil insbesondere die jungen Menschen dort für den Aufbau stabiler Strukturen und die Entwicklung des Landes dringend gebraucht werden und dabei die hier erlernten Fähigkeiten gut einsetzen können. Sowohl der Präsident von Afghanistan, Aschraf Ghani, als auch viele Vertreter der Zivilgesellschaft haben immer wieder davor gewarnt, dass vor allem gut ausgebildete junge Afghanen abwandern. Es wird nur gemeinsam mit der afghanischen Regierung sowie tatkräftiger Unterstützung durch die afghanische Bevölkerung gelingen, mehr Stabilität in Afghanistan zu schaffen, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und Vertrauen in effektive staatliche Strukturen aufzubauen. Schutz für die wirklich Bedürftigen und eine nachhaltige Unterstützung des Landes bedürfen deshalb auch eines glaubwürdigen Rückkehrkonzepts.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass die Lagebeurteilungen des Auswärtigen Amtes eine der wichtigen Grundlagen für die Entscheidung deutscher Verwaltungsbehörden und Gerichte bei der Anerkennung oder Ablehnung von Asylantragstellern und der Rückführung abgelehnter Antragsteller sind. Danach hat sich die Sicherheitslage im letzten Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verändert. Die Einschätzungen aus dem Asyllagebericht vom 19. Oktober 2016 gelten weiterhin: Die Sicherheitslage ist volatil und regional unterschiedlich. Es gibt Regionen, in denen die Lage ausreichend kontrollierbar und für den Einzelnen vergleichsweise ruhig und stabil ist. In jedem Einzelfall muss das Gefährdungsrisiko unter Einbeziehung sämtlicher individueller Umstände (wie Ethnie und Herkunftsregion, Konfession, Familienstand und Herkunft) geprüft werden. Dies steht im Einklang mit der Einschätzung des UNHCR im Bericht vom 22. Dezember 2016.
Ich hoffe, Sie können meinen Ausführungen entnehmen, dass die Bundesregierung für eine ausgewogene Asyl- und Flüchtlingspolitik steht. Wir wollen auf keinen Fall über die Köpfe der Menschen hinweg entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen
Michaela Noll MdB