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Frage von Michael B. •

Frage an Michaela Noll von Michael B. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Noll,

mit Blick auf die massiv zunehmende Gewalt, die von jüngeren Menschen verursacht wird habe ich zwei Fragen an Sie:

1) Würden Sie ein Gesetz unterstützen, das definiert das gezielte Tritte gegen den Kopf einer am Boden liegenden Person IMMER als Mordversuch (vor Gericht) zu bewerten sind?

2) Gibt es in Ihrer Partei Bemühungen für die Justiz genauer zu definieren, wann für Heranwachsende (18-21 J.) Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht gewählt werden soll? Ausgelöst wird meine Frage durch ein Interview mit dem Pressesprecher des Landgerichts Aschaffenburg (1), der sagte:

"....der Angeklagte noch in der elterlichen Familie lebt und beruflich nicht auf eigenen Füßen steht. Dies sind typische Kriterien für die Anwendung von Jugendstrafrecht.“

Für mein Rechtsempfinden sind diese Kriterien etwas sehr mager! Gerade Jugendliche die sich nicht um Schule, Abschluß, Ausbildung und Geldverdienen für eine eigene Wohnung kümmern und rumgammeln (und es evtl. auf Krawall anlegen) werden also nach obiger Definition sogar noch vor Gericht belohnt durch eine geringere Strafe.

Freundliche Grüße,
Michael Bartsch

(1) http://www.primavera24.de/lokalnachrichten/aschaffenburg/1343-herr-richter-warum-muss-ein-messerstecher-nicht-ins-gefaengnis.html

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bartsch,

gerne nehme ich zu Ihren Fragen Stellung.

1. Gezielte Tritte gegen den Kopf einer am Boden liegenden Person können bereits nach geltendem Recht als Mord bzw. Mordversuch gewertet werden. Im Hinblick auf die Verurteilung wegen einer solchen Tat kommt es somit nicht darauf an, einen neuen Straftatbestand zu schaffen. Vielmehr müssen zur Erfüllung eines jeden Straftatbestandes bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. So sind bei jeder strafrechtlichen Bewertung bestimmte Fragen zu stellen und zu beantworten. Hierzu gehören etwa die Fragen nach dem konkreten Vorsatz, nach einer eventuellen Rechtfertigung oder nach der Schuld.
Gezielte Tritte lassen zwar Vorsatz erkennen. Ob sich der Vorsatz aber auf Mord richtet, muss in jedem Einzelfall neu geprüft werden. Die einzelnen Straftatbestandsvoraussetzungen und damit auch die Frage nach dem konkreten Vorsatz können Sie nicht mit der Schaffung eines neuen Straftatbestandes umgehen, ohne unser gesamtes Rechtssystem in Frage zu stellen.

2. Ob ein Heranwachsender nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird, richtet sich nach § 105 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Die konkrete Entscheidung ist eine Frage des Einzelfalls und vom Richter zu treffen.
Auf Heranwachsende wird Jugendstrafrecht angewendet, wenn sie zur Zeit der Tat in ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung einem Jugendlichen gleichstanden (§ 105 Nr. 1 JGG) oder wenn sie eine so genannte Jugendverfehlung begangen haben (§ 105 Nr. 2 JGG). Kriterien für den Entwicklungsstand sind beispielsweise, wie der Heranwachsende seine Lebensplanung im Griff hat oder seine Bindungsfähigkeit. Entscheidend ist dabei nicht das Alter, sondern es kommt auf typischerweise jugendliche Einstellungen und Charakterzüge an, wie z. B. Übermut, Abenteuerlust, Realitätsferne. Als Jugendverfehlungen gelten Straftaten dann, wenn sie Ausdruck der typisch jugendlichen Lebenssituation sind, beispielsweise aus Imponiergehabe, Neugier, jugendlichem Leichtsinn oder Gruppendruck begangen wurden. Das ist häufig (nicht immer) der Fall bei Diebstählen als "Mutprobe", Drogenkonsum, Fahren ohne Fahrerlaubnis oder "Autorennen".
Ich verstehe Ihre Zweifel an dieser Regelung, möchte jedoch zu bedenken geben, dass dahinter der Erziehungsgedanke steht, d. h. im Interesse und zum Schutz des Jugendlichen gerade auf besondere, jugendgemäße Entwicklungen reagieren zu können.
Unabhängig davon müssen wir Jugendgewalt und Jugendkriminalität mit konkreten Maßnahmen begegnen und insbesondere den Ursachen entgegenwirken. Dazu haben wir bereits in unserem Koalitionsvertrag vereinbart, u. a. Vollzugsdefizite bei der konsequenten Durchsetzung des geltenden Jugendstrafrechts abbauen zu wollen. Außerdem haben wir vor, den Warnschussarrest neben der Aussetzung der Verhängung oder der Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung einzuführen. Damit werden jungen Straftätern gleich zu Beginn und trotz ihrer Bewährung die Konsequenzen weiterer Gesetzesverstöße klar vor Augen geführt. Darüber hinaus beabsichtigen wir, im Bereich der Jugendstrafe die Höchststrafe für Mord auf 15 Jahre zu erhöhen.

Mit freundlichen Grüßen

Michaela Noll MdB