Michael Theurer
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Frage von Gisela K. •

Frage an Michael Theurer von Gisela K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Theurer,

Nach einem Bericht der Zeitung „European Voice” vom 4. Oktober 2012 („Quarrel erupts over OLAF- Regulation“) hat der Präsident des Europa-Parlaments die Entscheidung über den mit Rat und Kommission ausgehandelten Kompromissvorschlag zur Reform des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung verschoben.

Stimmt es, dass der Kompromiss die Frage von möglichen OLAF-Untersuchungen gegen Abgeordnete nicht zufriedenstellend regelt?

Wie beurteilen Sie die folgenden Neuerungen, die nicht nur, aber auch auf OLAF-Untersuchungen gegen Abgeordnete Anwendung finden werden:

-Geheimermittlungen, ohne dass die Betroffenen darüber informiert werden und ohne dass sie von OLAF zeitnah zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen gehört werden, nach alleinigem Ermessen des OLAF-Generaldirektors (Artikel 7a, Ziffer 4, dritter Absatz des Kompromissvorschlages, der auf der Website des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments veröffentlicht ist);

http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/cont/dv/st12735-ad01_/st12735-ad01_de.pdf

- Einschränkung der Kontrollbefugnisse des OLAF-Überwachungsausschusses, der künftig nicht mehr vorab informiert werden muss, wenn das Amt die nationalen Strafverfolgungsbehörden mit einem Fall befassen will, sondern lediglich im Nachhinein (Artikel 12, Absatz 4).

Halten Sie den damit einhergehenden Verzicht auf jegliche Form von unabhängiger Kontrolle während einer laufenden Untersuchung für vertretbar?

Stimmt es, dass OLAF auch künftig keine Zuständigkeit haben wird, Fälle von grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrügereien innerhalb der EU („Karussellbetrügereien“) zu untersuchen?

Mit freundlichen Grüßen

Gisela Kind

Michael Theurer
Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Kind,

Vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch und für Ihr Interesse an unserer Arbeit im Europäischen Parlament.

Vorab möchte ich Sie darum bitten, die entstandene Verzögerung zu entschuldigen.

In Ihrer E-Mail haben Sie mehrere Fragen zum aktuellen Stand des OLAF-Statuts gestellt.

Der Entwurf für eine überarbeitete OLAF-Verordnung wurde intensiv im Europäischen Parlament (EP) behandelt. In internen Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission (Trilog) wurde ein Kompromissvorschlag erarbeitet, der im EP noch nicht abgesegnet wurde. Das EP konnte nicht alle Vorstellungen durchsetzen.

Gerade aus den Erfahrungen der Weimarer Republik hat die Immunität einen hohen Stellenwert. Auf europäischer Ebene genießen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Immunität. Daran ändert auch die OLAF-Reform nichts, über die wir im Haushaltskontrollausschuss am 8. Oktober 2012 abgestimmt haben. Europaabgeordnete genießen aufgrund ihres Amtes politische Immunität vor der Strafverfolgung. Allerdings kann das EP die Immunität einzelner Europaabgeordneter aufheben, wenn dies von den Strafverfolgungsbehörden beantragt wird (eine analoge Regelung wendet beispielsweise der Deutsche Bundestag an). OLAF ist keine Strafverfolgungsbehörde.

Des Weiteren bringen Sie Ihre Sorgen über die Informationsrechte der Betroffenen in Ermittlungen von OLAF zum Ausdruck und erkundigen sich nach den möglichen Einschränkungen der Kontrollbefugnisse des OLAF-Überwachungsausschusses.

Fakt ist, dass die Unabhängigkeit von OLAF gewahrt bleibt. Konkret bedeutet dies, dass OLAF selbst entscheidet, ob Ermittlungen eingeleitet werden oder nicht. Tatsächlich führt die Neufassung des OLAF-Status in der jetzt vorliegenden Form dazu, dass die Informationsrechte des Überwachungsausschusses verändert werden. Die Beurteilungen über die Folgen dieser Rechtsänderung gehen im Europäischen Parlament auseinander. Meine persönliche Auffassung ist, dass die Informationsrechte des OLAF-Überwachunsgausschusses gegenüber der bisherigen Regelung nicht eingeschränkt werden sollten. Dies konnte nach Angaben der zuständigen Berichterstatterin allerdings in den Verhandlungen des EP mit dem Rat nicht durchgesetzt werden.
In einem Zeitungsbericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17. November 2012 äußere ich mich im Zusammenhang mit dem Rücktritt des maltesischen EU-Gesundheitskommissars John Dalli dazu, dass die neue OLAF-Verordnung unter Umständen aufgehalten werden sollte.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt warten wir im Europäischen Parlament noch die Beschlussfassung des Rates ab. Für Ende Februar ist die Festlegung des Standpunkts des Rates in erster Lesung anvisiert. Nach Annahme im Rat könnte der Haushaltskontrollausschuss im März oder im April über den Vorschlag abstimmen. Im Anschluss ginge es ins Plenum.

Und zu Ihrer dritten Frage, ob es stimmt, dass OLAF auch künftig keine Zuständigkeit haben wird, Fälle von grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrügereien innerhalb der EU ("Karussellbetrügereien") zu untersuchen:

Die Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF verfügt theoretisch bereits über die notwendigen juristischen Voraussetzungen, um in solchen Fällen aktiv zu werden. In der Vergangenheit sträubten sich allerdings einige Mitgliedsstaaten dagegen, OLAF in diesem Bereich die Zuständigkeit zu gewähren. Das zeigt, dass das Problem also allein durch juristische Veränderungen nicht behoben werden kann.

Die nationalen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten sollten stärker miteinander kooperieren und in Verdachtsfällen vermehrt relevante Informationen miteinander tauschen und diese dann an die Behörden auf europäischer Ebene weiterleiten, wie beispielsweise an Europol, um das Phänomen der Karussellbetrügereien besser bekämpfen zu können.

Wichtig ist außerdem, dass bislang kein einheitliches europäisches Strafrecht existiert. Es gibt aber Bestrebungen, die nationalen Strafrechte weiter zu harmonisieren, um somit eine kohärentere und bessere Strafverfolgung zu ermöglichen. Die Kommission hat zudem einen Vorschlag für die Schaffung einer europäischen Finanzstaatsanwaltschaft unterbreitet. Diese Vorschläge werden wir intensiv prüfen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten und bedanke mich nochmals für Ihr Engagement. Für etwaige Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Herzlich Ihr,

Michael Theurer