Frage an Michael Stübgen von Duc Nam D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Stübgen,
wie es aussieht, haben sie meine E-Mail vom 15.04.2015 bezüglich der Vorratsdatenspeicherung ignoriert. Deshalb habe ich mich entschlossen, meine Frage öffentlich zu machen und gebe Ihnen nochmals die Möglichkeit, Stellung zum Thema zu beziehen. Nachfolgend habe ich nochmal meine E-Mail eingefügt:
[...] mit Entsetzen durfte ich gerade in diversen Online-Zeitungen lesen, dass die "Große Koalition" die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) entschieden hat. Ich bin ein Gegner der "VDS" und würde gerne wissen, was Ihre Ansichten zur "VDS" sind. Sehr oft wird das Argument der Sicherheit ins Spiel gebracht, aber wir konnten doch leider am Beispiel "Charlie Hebdo" sehen, dass eine VDS diesen Terroranschlag nicht verhindern konnte, obwohl es in Frankreich die VDS gibt. Ich bin mir durchaus bewusst, dass unsere Verfassungsrichter damals die VDS abgelehnt haben, natürlich mit dem Verweis, dass sie durchaus möglich ist, und der EuGH auch der selben Meinung ist. Ich lebe gerne mit meinem Recht der Privatsphäre und würde alle Mittel benutzen, sofern sie rechtlich in Ordnung sind, um gegen die VDS zu kämpfen. Ich bin mir ebenfalls bewusst, dass es sehr schwer ist die "goldene Mitte" zwischen Privatsphäre und Sicherheit zu finden und respektiere auch Ihre Leistungen im Bundestag, aber ich und ein Großteil der Bevölkerung im Elbe-Elster Kreis lehnen die VDS ab. Wir haben Sie gewählt, damit Sie unsere Interessen im Bundestag vertreten und keinem Fraktionszwang unterliegen sollen. Ich wünsche mir, dass Sie meine Ansichten bezüglich der VDS respektieren und gegen die VDS votieren.
Mit freundlichen Grüßen
Duc Nam Doan
Sehr geehrter Herr Doan,
vielen Dank für Ihre Frage zur aktuellen Diskussion über die sogenannte "Vorratsdatenspeicherung" (VDS). Ich begrüße es, dass wir auf der Grundlage der Einigung von Innenminister de Maizière und Justizminister Maas nun eine gesetzliche Regelung herbeiführen werden. Im Mittelpunkt steht dabei die bessere Bekämpfung terroristischer Straftaten und schwerer Kriminalität. Hier geht es um schwerwiegende Rechtsverletzungen, bei denen die Vorratsdatenspeicherung einen Baustein für erfolgversprechende Ermittlungsansätze bildet.
Die gesetzliche Regelung erfordert eine Abwägung zwischen Freiheits- und Sicherheitsaspekten, deren Gewährleistung gleichermaßen zu den Aufgaben des Staates gehören. Richtig ist, dass in der angeordneten Speicherung und im Einzelfall erfolgenden Kenntnisnahme von Kommunikationsdaten ein Grundrechtseingriff liegt, der klare Regeln zu Datensicherheit, Umfang der Datenverwendung, Löschung, Transparenz und Rechtsschutz erfordert und der sorgsam gegenüber den Zwecken der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr abgewogen werden muss.
Ein diffuses Gefühl von Bedrohung und Überwachung wäre freiheitswidrig und darf nicht entstehen; das ist auch für mich als potentiell betroffener Bürger wichtig. Die Sorgen in Bezug auf den Schutz der eigenen Verbindungsdaten, die Sie zum Ausdruck bringen, beruhen allerdings nicht selten auf einer unzureichenden Information über das, was im Rahmen der VDS geregelt werden soll. Deshalb zunächst nochmals einige Fakten:
• VDS umfasst in keinem Fall die Speicherung von Inhalten; niemand lauscht, liest mit oder hält den Inhalt von Mails, SMS oder Telefonaten fest!
• Es geht bei der VDS um die vorläufige Sicherung von Verbindungsdaten einschließlich Funkzellen-angaben. Letztere sollen nach den vereinbarten Leitlinien nur zu Beginn einer Kommunikation, nicht etwa fortlaufend gesichert werden. Außerdem sollen nach den Leitlinien IP-Adressen zum Datenkranz gehören, die allerdings nur punktuell abgefragt werden sollen, etwa wenn aufgrund von Vorermittlungen bekannt ist, dass sie zum verbotenen Abruf von Daten (zB kinderpornografischer Inhalte) genutzt worden sind. Es ist vorgesehen, dass die Verbindungsdaten von E-Mails vollständig ausgenommen werden.
• Die Speicherfrist soll 10 Wochen betragen, Funkzellenangaben sollen bereits nach 4 Wochen gelöscht werden. Verbindungsdaten von Berufsgeheimnisträgern werden von dem Abruf ausgenommen.
• Die Daten werden nicht etwa bei einer staatlichen Stelle zusammengeführt, sondern verbleiben ohne jegliche besondere Aufbereitung und dezentral bei den Providern, bei denen sie entstehen.
• Die Übermittlung und Verwendung der Daten durch staatliche Behörden setzt den Verdacht einer schweren Straftat wie etwa Mord, Totschlag, Kinderpornografie, besonders schwere Fälle des Landfriedensbruchs oder terroristische Taten voraus. Ohne einen solchen Anlass - d.h. in aller Regel! werden die Daten nach der festgesetzten Frist ohne weitere Nutzung schlicht bei den Providern gelöscht; keine staatliche Stelle bekommt sie dann jemals zu sehen.
• Damit unterscheidet sich die VDS entscheidend gegenüber Datensammlungen etwa von Google, Facebook, Payback etc., die die Daten in ihrer Gesamtheit gerade zu dem Zweck erheben, diese umfassend z.B. zu Werbezwecken auszuwerten und möglichst viel über möglichst viele Nutzer zu erfahren.
• Eine Übermittlung von Verbindungsdaten an staatliche Behörden setzt im Einzelfall eine richterliche Entscheidung voraus.
• weitere Regeln werden die Transparenz gegenüber dem Betroffenen und die Datensicherheit betreffen; insbesondere soll die Datenspeicherung in Deutschland und die Löschung nach Ablauf der festgelegten Frist geregelt werden.
Unsere Freiheit erhalten wir nur, wenn sie geschützt und verteidigt wird. Daher schließen sich Freiheit und Sicherheit nicht gegenseitig aus, sondern sie bedingen sich. Wer Freiheit und Sicherheit gegeneinander ausspielt, dem ist im Ergebnis weder an dem einen noch an dem anderen gelegen. Daher sind die vorgestellten Eckpunkte ein guter Beginn eines wichtigen Gesetzesvorhabens.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Stübgen, MdB