Frage an Michael Stübgen von Claus M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Stübgen,
leider haben Sie meine Frage vom 23.11.2012 hinsichtlich der Diskrepanzen zwischen Ihren Kürzungswünschen des EU-Haushaltes einerseits und dem zusätzlichen Finanzbedarf für neue Mitgliedstaaten andererseits noch nicht beantwortet.
Inzwischen habe ich erfahren, dass außer Serbien, Mazedonien und Albanien auch noch Island der EU beitreten wird. Auch dieses Land wird erhebliche finanzielle Unterstützung benötigen, etwa beim Ausbau der Infrastruktur.
Zudem bitte ich um Ihre Stellungnahme dazu, dass Island im Rahmen der Beitrittsverhandlungen offenbar umfangreiche Ausnahmegenehmigungen für den Wal- und Robbenfang, das Sammeln von Möweneiern und den Fang von Papageitauchern (einer bedrohten Seevogelart) am Nest gefordert hat, die internationalem und EU-Umweltrecht widersprechen.
Sehr geehrter Herr Mayr,
vielen Dank für Ihre Nachfrage vom 18. Dezember 2012 über www.abgeordnetenwatch.de bezüglich der Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit Island.
Island ist in vielerlei Hinsicht mit der Europäischen Union (EU) verbunden. Bereits seit 1972 besteht ein Freihandelsabkommen mit der EU. Island ist seit 1994 und damit seit fast 20 Jahren am Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beteiligt und in den Binnenmarkt eingebunden. Island setzt den Gemeinschaftsbesitzstand in diesem Bereich sehr weitgehend um. Island ist seit 2000 assoziiertes Schengen-Mitglied und nimmt erfolgreich an der Zusammenarbeit mit Polizei und Justizbehörden der EU-Mitgliedstaaten teil. Ebenso setzt Island die von der EU getroffenen Beschlüsse zum Asylrecht (Dublin-Abkommen) um.
Der Deutsche Bundestag unterstützt das Ziel einer Vollmitgliedschaft Islands in der Europäischen Union. Deutschland und die EU haben ein Interesse an der Unterstützung des Beitrittsantrages und dem Gelingen des Beitrittsprozesses mit Island. Mit Island würde eine stabile parlamentarische Demokratie der EU beitreten, die Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte garantiert.
Dennoch haben Sie natürlich Recht, dass Island vor einen EU-Beitritt erhebliche Anstrengungen unternehmen muss, um seine Rechtsvorschriften an den gemeinschaftlichen Besitzstand anzugleichen, damit es die Beitrittskriterien zum Zeitpunkt des Beitritts erfüllt.
Das gilt insbesondere für die von Ihnen angesprochenen Bereiche Fischerei und Walfang.
Der Deutsche Bundestag erkennt in seiner Einvernehmensherstellung zum Beitrittsantrag der Republik Island zur Europäischen Union (Bundestagsdrucksache 17/1190) ausdrücklich an, dass der Fischereisektor für die Wirtschaft Islands von fundamentaler Bedeutung bleibt, obwohl seine relative Bedeutung in den letzten zehn Jahren wegen der Diversifizierung der isländischen Wirtschaft zurückgegangen ist. Island sieht sich in der Fischereipolitik dem Grundsatz der Nachhaltigkeit verpflichtet und hat in seine Rechtsvorschriften zur Fischerei den Grundsatz der Vorsorge als Leitprinzip aufgenommen. Das ökonomisch erfolgreiche und ökologisch nachhaltige System der isländischen Fischerei kann wertvolle Impulse für die Gemeinsame Fischereipolitik der EU geben. Die Bestandserhaltung der Fischbestände ist in den vergangenen Jahren auch in den Mittelpunkt der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU gerückt.
Ein besonders sensibles Thema ist der Walfang. Island hat 2006 die Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs beschlossen und verstößt damit gegen das Internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs, das auch von der EU anerkannt wird und Sondergenehmigungen mit begrenzten Quoten lediglich für wissenschaftliche Zwecke und für den Eigenbedarf indigener Bevölkerungen akzeptiert. Die Internationale Walfangkommission hat zuletzt im Mai 2007 die für den kommerziellen Walfang auf null gesetzte Quote bestätigt. Im Hinblick auf den Erhalt und die Entwicklung der Walpopulationen muss Island geeignete Schritte unternehmen, um den internationalen, auch von der Europäischen Union übernommenen Schutzbestimmungen gerecht zu werden.
Wie Sie aktuellen Meldungen des isländischen Außenministers Össur Skarphédinsson vielleicht entnommen haben, hat sich das Kabinett in Reykjavik entschieden, die Beitrittsverhandlungen mit der EU vorerst auszusetzen. Umfragen zufolge sind viele Isländer gegen einen EU-Beitritt, weil sie einen Verlust der Einnahmen aus Fischereirechten rund um die Atlantikinsel befürchten. Nach den Parlamentswahlen am 27. April 2013 werden wir die Lage in Island sicherlich besser beurteilen können.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Stübgen, MdB