Frage an Michael Siethoff von Heiner O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Siethoff,
mich würde ihre Haltung zur aktuellen Sozialpolitik interessieren. Wie stehen sie zu Hartz IV? Finden sie die Regelsätze eher zu hoch, zu niedrig oder finden sie das Hartz IV abgeschafft gehört?
Sehen sie Perspektiven für eine europäische Sozialpolitik? Wenn ja, wie soll sie aussehen?
Mit freundlichen Grüßen,
Heiner Oßwald
Sehr geehrter Herr Oßwald,
Hallo,
zunächst einmal möchte ich von unserer Internetseite www.tierschutzpartei.de zitieren:
"... Die unter der rot-grünen Regierung beschlossenen und von der schwarz-gelben Opposition mitgetragenen Hartz-Gesetze sollten den großen Wurf bringen. Aber sie führten nur zu einer Verarmung der Betroffenen und deren Stigmatisierung. Arbeitsplätze wurden nicht geschaffen, nur statistische Tricks schönen nun die monatlichen Zahlen. Unsere Partei fordert deshalb die Abschaffung der Hartz-Gesetze und eine konsequentes Hinwenden zu den Arbeitslosen als Teil unserer Gesellschaft, z.B. durch eine ausreichende finanzielle Versorgung, insbesondere der Kinder betroffener Eltern...."
Wenn Sie jetzt meine persönliche Meinung lesen wollen, da ich selber als Leistungssachbearbeiter im Bereich des Soialgesetzbuch II (= Hartz IV) arbeite, dann müsste ich etwas länger ausholen. Dieser Art Tätigkeit mache ich jetzt seit 1997, seinerzeit hieß es noch Bundessozialhilfegesetz (BSHG), danach war ich von 1999 bis 2006 Sachbearbeiter hauptsächlich im Bereich Asylbewerberleistungsgesetz, seit November 2006 nun Hartz IV.
Das Hartz IV Gesetz wurde seinerzeit eingeführt, um die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammenzuführen. Aus meiner Sicht ein positiver Ansatz, schon allein des Bürokratieabbaus wegen. Es wurden viele Dinge pauschaliert, was aus Sicht derjenigen, die die Leistungen berechnen und zur Auszahlung bringen, völlig positiv ist. Soweit die Theorie, soweit gut. Die Realität sieht aktuell so aus, dass die Sozialgerichte mit einer nicht zu bewältigenden Anzahl an Verfahren zu kämpfen haben. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass ein neues Gesetz sich in der Anwendung erstmal "zurechtrucken" muss. Klingt zynisch, ist aber nicht so gemeint.
Das hat aber auch damit zu tun, dass dieses Hartz IV Gesetz mit so heisser Nadel gestrickt wurde, dass es nicht nur zigmal nachgebessert werden musste, sondern auch für den Alltag nur bedingt tauglich ist. Stichwort Höhe der Regelsätze für Kinder. Hier wurde nun höchstrichterlich festgestellt, dass die Regelsätze der Kinder nicht einfach mit 60% des Regelsatzes der Eltern angesetzt werden dürfen. Kinder haben einen grundgesetzlich geschützten Anspruch auf einen altersgemäß berechneten Regelsatz. Da frage ich mich, wo waren die ganzen Sozialexperten der SPD, der CDU, der FDP und der Grünen, die nicht willens oder in der Lage waren, sich Gedanken über die Höhe des Regelsatzes für Kinder zu machen?
Meinen Job mache ich gerne und ich bin nicht der Meinung, dass die Hartz IV Gesetze den Menschen entwürdigen! Wir brauchen eine Sozialgesetzgebung, die sowohl die Bedürfnisse derjenigen berücksichtigt, die die Solidarität unserer Gesellschaft in Anspruch nehmen müssen, als auch die Funktionalität der Gesellschaft gewährleistet. Das bedeutet für mich, dass es sehr viele Ansatzpunkte für Verbesserungen der Hartz IV Gesetze gibt!
Konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen sehe ich z.B. im Bereich eben der Höhe der Regelsätze für Kinder, Pauschalierung-Individualisierung, weniger Bürokratie (wer mal versucht hat einen Leistungsbescheid zu lesen, weiss was damit gemeint ist).
Zu Ihrer Frage, ob ich eine Perspektive für eine europäische Sozialpolitik sehe: Die Notwendigkeit sehe ich, trotz aller Unterschiede in den Lebensverhältnissen der einzelnen Mitgliedsstaaten der EU! Annähernd gleiche Lebensbedingungen sind sicherlich ein Ziel einer solchen Sozialpolitik, schon allein um die Einheit der EU zu gewährleisten. Das ist natürlich ein Wunsch, den man momentan nur abstrakt formulieren kann. Es hängt von der Ernsthaftigkeit der Verantwortlichen ab, ob dieser Wunsch auch einmal Wirklichkeit werden könnte.
Mit freundlichen Grüssen
Michael Siethoff