Welches Fazit ziehen Sie aus der ECaLe-Studie?
Sehr geehrter Herr Preusch,
im Zuge der Cannabis-Entkriminalisierung wurden sämtliche bekannten Studien in Bezug auf eine liberalere Drogenpolitik zusammengetragen und in der ECaLe-Studie ausgewertet. Hier wird ersichtlich, dass weder ein Verbot noch ein offener kommerzieller Markt ohne Begrenzung zielführend sind. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Studie?
Freundliche Grüße
Jochen A.

Sehr geehrter Herr A.,
der negative Einfluss unterschiedlichster toxischer Substanzen auf den menschlichen Körper – seien es Alkohol, Nikotin oder synthetische Drogen ist unbestritten. Die im Auftrag der scheidenden Bundesregierung erstellte Studie „Effekte einer Cannabis Legalisierung“ (ECaLe) ist eine Zusammenstellung einzelner Studien, die in unterschiedlichem Kontext erstellt worden sind. Auf Ihre Frage bezogen nehme ich Stellung zu besagter ECaLe-Analyse. Die Pathophysiologie des Konsums sind in der internationalen Literatur nachzulesen. Als Mediziner werde ich mich hier nicht auf das Thema Beschaffungskriminalität und Strafverfolgung beziehen, sondern darf einige Punkte aus meiner berufsethischen Verpflichtung zur Abwendung von Gefahren für die Gesundheit aufgreifen. Entgegen mancher vereinfachten Darstellung negiert die Studie eben nicht das Risiko eines erhöhten Konsums und eines daraus resultierenden Schadens. In der Zusammenfassung unter Punkt 6 (Seite 70 der Originalveröffentlichung) schreiben die Autoren:
„…. in those populations that have access to legal cannabis products, cannabis use increases at a slightly faster pace. This is more consistent for adults, including young adults aged 18-25, but less so for adolescents. The increased prevalence of cannabis use among adults caused by legalization is modest and it should be considered that most cannabis-related health and social risks arise from using cannabis frequently and early in life, i.e., before the age of 18. This does not mean that increased cannabis use prevalence among adults should be overlooked, because legalization has been linked to a modestly increased number of adults admitted to hospitals or EDs for acute and chronic problems, such as intoxications and CUD“.
Damit bestätigen sie einen Anstieg des Konsums bei legaler Verfügbarkeit von Cannabis, bei den Erwachsenen und in der in der Altersgruppe der 18-25 jährigen mehr als in der Gruppe der Jugendlichen. Auch wenn die Studie bei Erwachsenen von einem „moderaten“ Anstieg spricht, bedeutet dies eine Zunahme des Konsums. Die Studie mahnt sogar in diesem Absatz, eine Zunahme des Cannabis-Konsums zu übersehen, da eine Legalisierung in Verbindung mit einer Zunahme der stationären Behandlungen von betroffenen Personen mit chronischen (Abhängigkeit) und akuten Folgen des Konsums in Verbindung gebracht wird. Die Autoren rechnen zudem mit einer Zunahme des Konsums und der damit verbundenen negativen, gesundheitlichen Folgen:
„The available evidence supports this reasoning and tentatively suggests that, where legal markets expand greatly, cannabis use and related health problems increase.“ (ebenfalls Punkt 6, Seite 70).
Aus den Ergebnissen der Studie leiten die Autoren Maßnahmen ab, deren Effekte unter der aktuellen Ausgestaltung des Gesetzes nur vermutet, aber bis dato nicht untersucht sind.
Aufgrund langjähriger Erfahrungen und einer entsprechenden fachlichen Kompetenz und Bewertung in der Breite lehnt unter anderem die Bundesärztekammer eine Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken ab.
Als Internist und Intensivmediziner, der oft mit dem Thema Drogen-Intoxikationen konfrontiert ist, lehne ich im Schulterschluss mit der großen Mehrheit meiner ärztlichen Kolleginnen und Kollegen die Regelungen der scheidenden Bundesregierung zum Cannabiskonsum ab.
Mit besten Grüßen
Michael Preusch
Quelle:
Jakob Manthey, Tobias Hayer, Britta Jacobsen, Jens Kalke, Sinja Klinger, Jürgen Rehm, Moritz Rosenkranz, Uwe Verthein, Marielle Wirth, Michael Armstrong, Daniel Myran, Rosalie Pacula, Rosario Queirolo, Frank Zobel
Effects of legalizing cannabis
Bundesministerium für Gesundheit 2023