Frage an Michael Müller von Julia M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Müller,
mein Lebenspartner wurde von drei Jugendlichen im Zuge eines frustentladenden Gewaltaktes überfallen mit der Folge bleibender Körperschäden, Schwer-behinderung u. verminderter Berufsfähigkeit.
Für die dauerhaften Körperschäden wird meinem Lebensgefährten vom Versorgungsamt Berlin eine Opferentschädigungsrente (Grundrente nach dem OEG) gewährt. Aufgrund des Wohnsitzes Ostberlin zum Zeitpunkt des brutalen Überfalls wird jedoch nur eine abgesenkte Leistung vom Versorgungsamt gezahlt.
Die zuständige Berliner PDS-Sozialsenatorin Knaake-Werner aus Ihrer Koalition rechtfertigt diese Praxis mit einem vor einigen Jahren ergangenen Urteil eines Landessozialgerichts.
Meine Fragen an Sie:
Halten Sie es für richtig, dass innerhalb der seit 16 (!) Jahren wiedervereinigten Stadt für gleiche Schäden, gleiches Leid unterschiedliche Entschädigungen geleistet werden, je nachdem wo man (zufällig) zum Zeitpunkt des Überfalls in Berlin wohnt, also abhängig von Straße und Haus-Nr.?
Anmerkung: Die Entschädigungsrenten für Kriegs- und SED-Opfer in den neuen Bundesländern wurden bereits zum 1.1.99 an das Westniveau angeglichen, nicht aber die der Gewaltopfer, obwohl in den alten Bundesländern galt und gilt: die Kriminalitätsopfer erhalten die gleichen Leistungen wie die Kriegsopfer !
In den letzten 5 Jahren haben der Berliner Senat, also die PDS und die SPD, politisch nichts unternommen, um diesen skandalösen Zustand mit politischen Mitteln (also z.B. mit einer Bundesratsinitiative) zu verändern.
Sind Sie auch der Meinung der PDS-Sozialsenatorin Knaake-Werner, dass man sich hinter Gerichtsurteilen verstecken sollte, oder wäre es nicht richtiger, politisch aktiv zu werden ? Für letzteres sind doch wohl die Politiker gewählt worden, ansonsten gehen wir den Weg in den Formaldemokratismus und lassen nur noch Gerichte entscheiden. Können wir uns also zukünftig die Kosten für Politiker sparen ?
Mit freundlichem Gruß
Julia Morgenstern
Sehr geehrte Frau Morgenstern,
wie Ihnen der Regierende Bürgermeister bereits geschrieben hat, liegt der Grund für diese Ungleichbehandlung im Bundesversorgungsgesetz. Ich halte diese unterschiedlichen Entschädigungshöhen gerade bei Gewaltopfern für falsch und ungerecht. Wie der Name des Gesetzes jedoch bereits sagt, handelt es sich hierbei um ein Bundesgesetz – und ein Bundesgesetz kann leider nur auf Bundesebene geändert werden. Deshalb hat Berlin ja auch 2002 – also in dieser Legislaturperiode - gemeinsam mit der rot-roten Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern einen Vorstoß zur Angleichung der Renten unternommen. Dieser ist jedoch an den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat gescheitert, insbesondere an der Haltung der CDU-dominierten Länder.
Wenn wir etwas für falsch und ungerecht halten, dann werden wir uns auch in Zukunft dafür einsetzen, dass sich daran etwas ändert. Aber wie gesagt, wir sind dabei abhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat. Und diese haben sich leider in dieser Frage nicht zum Besseren entwickelt. Ich darf Ihnen aber versichern, dass die SPD insgesamt dafür kämpft, die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zu ihren Gunsten zu verschieben.
Wenn Ihnen also ein Berliner Landespolitiker verspricht, das Gesetz selbst zu ändern, ist er schlicht ein Populist.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Müller