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Michael Luther
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Frage von Arndt K. •

Frage an Michael Luther von Arndt K. bezüglich Soziale Sicherung

Werter Herr Dr. Luther,

in der Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" vom 18.07. 2013 las ich einen Artikel über die Hamburger Kirchgemeinde St. Pauli, die derzeit etwa 80 Flüchtlinge aus Afrika in ihrer Kirche beherbergt. Sie haben im lybischen Bürgerkrieg, bei der Fahrt über das Mittelmeer und in italienischen Lagern Schlimmes erlebt, etliche wurden von ihren Angehörigen getrennt. Die Italiener schickten sie nach Schließung des Lagers mit Touristenvisa nach Norden.

Die Situation dieser Männer, die über Lybien, das Mittelmeer und Italien nach Deutschland gekommen sind, ist beispielhaft für die Situation von Flüchtlingen in Deutschland und Europa. Keiner will sie haben, keiner fühlt sich zuständig. Flüchtlinge werden oft aus Deutschland in den EU - Staat abgeschoben, in dem sie zuerst das Gebiet der EU betraten. Das etliche davon menschenunwürdig mit Flüchtlingen umgehen (Griechenland, Ungarn) wurde u.a. von Pro Asyl e. v. dokumentiert. Die Abschiebepraxis in diese und anderen Länder hat schon des öfteren ganze Familien auseinander gerissen. Diejenigen, die vorübergehend in Deutschland bleiben dürfen, leben abgeschottet unter schwierigen Bedingungen in entsprechenden Heimen. Sie dürfen den jeweiligen Landkreis nicht verlassen, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und warten oft jahrelang auf Bescheide der zuständigen Behörden.

Unsere Regierung hat meiner Ansicht nach bisher wenig getan um daran grundlegend etwas zu ändern. Ein Beispiel: Die Äußerungen von Innenminister Friedrich im Blick auf die vermehrten Asylgesuche von Antragstellern aus Mazedonien und Serbien ("Asylmißbrauch", Herbst 2012) empfand ich angesichts der Situation der Roma in diesen Ländern als zynisch. Die Lage in Hamburg - St. Pauli führt meiner Ansicht nach die Unhaltbarkeit dieser Zustände akut vor Augen.

Gibt es seitens der Regierungskoalition Bestrebungen etwas daran zu ändern? Welche Maßnahmen müssten Ihrer Ansicht nach in Angriff genommen werden?

Mit freundlichen Grüßen

A. Kretzschmann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kretzschmann,

vielen Dank für Ihre E-Mail bei www.abgeordnetenwatch.de und Ihre damit einhergehenden Fragen zur Asylpolitik. CDU und CSU stehen für eine an den Bedürfnissen und Interessen unseres Landes ausgerichtete Zuwanderungspolitik. Wir treten zugleich für den Schutz politisch Verfolgter ein, wie es unserem Grundgesetz und der aus unserem christlich geprägten Menschenbild entspringenden Verantwortung entspricht.

Wer politisch verfolgt wird und schutzbedürftig ist, muss auf Deutschland vertrauen können. Deshalb bekennen wir uns zum Grundrecht auf Asyl. Wir setzen uns auch im Interesse der Betroffenen für zügige Verfahren bei Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten ein. Auch in Zukunft werden wir Flüchtlingen helfen. Dabei setzen wir uns auch für neue Formen des Schutzes ein, wie der Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten, wenn ihnen eine baldige Rückkehr in das Herkunftsland nicht möglich ist oder wenn sie nicht dauerhaft in das Land, das sie zuerst aufgenommen hat, eingegliedert werden können.

Grundsätzlich gilt, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch künftig die Zuständigkeit behalten müssen, über Zuwanderung in nationaler Verantwortung entscheiden zu können. Dabei bauen wir weiterhin, ebenso wie bei der Hilfe für Flüchtlinge weltweit, auf die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshochkommissar der Vereinten Nationen.

Es ist sinnvoll, dass bei der Aufnahme von Flüchtlingen zunächst jeder Mitgliedstaat selbst gefordert ist. Deutschland stellt sich dieser Verantwortung. 2012 hatte Deutschland die höchste Zahl von Flüchtlingen innerhalb der EU zu verzeichnen (77 500 Asylanträge). Das sind 23 Prozent der EU-weit gestellten Asylanträge.

Gleichzeitig muss auf EU-Ebene verhindert werden, dass es zu einer besonderen Belastung der Asylsysteme einzelner Mitgliedstaaten kommt. Daher ist es zu begrüßen, dass die neue Dublin-Verordnung einen Frühwarn-und Krisenbewältigungsmechanismus enthält, mit dem Defizite in Asylsystemen der Mitgliedstaaten frühzeitig erkannt werden sollen, damit diese Defizite behoben werden können. Das Verfahren nach der Dublin-Verordnung hat sich bewährt. Auch eine deutliche Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat sich für ein Festhalten an der Verordnung ausgesprochen.

Ein gutes Beispiel für eine solche EU-weite Zusammenarbeit ist Griechenland. Das Land erfährt von Seiten der Europäischen Union vielfältige Unterstützung bei der Umsetzung des im Jahre 2010 vorgelegten und 2013 aktualisierten Nationalen Aktionsplans zur Asylreform und zum Migrationsmanagement. So wird dessen Umsetzung aus Fonds-Mitteln der EU finanziell unterstützt und die Umsetzung durch das EU-Asylunterstützungsbüro (EASO) sowie die EU-Kommission begleitet. Auch Deutschland beteiligt sich an dieser von der EU koordinierten Hilfe.

Auch unsere Nachbarstaaten auf dem Balkan können auf unsere Solidarität und Unterstützung zählen. Sie müssen aber ihre Verpflichtungen gegenüber den Minderheiten in ihren Ländern uneingeschränkt erfüllen. Entscheidend ist, dass sich die Lebensverhältnisse vor Ort verbessern. Die Situation von Roma und die Diskriminierung, denen sie in ihren Herkunftsländern ausgesetzt sind, werden im Asylverfahren berücksichtigt, führen aber nur bei einer konkreten Verfolgung zur Gewährung von Asyl, in bestimmten Fällen auch zur Duldung. Gegebenenfalls greifen auch Härtefall- oder Bleiberechtsregelungen. Darüber hinaus unterstützt Deutschland die von der EU und vom Europarat initiierten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma in Europa und setzt sich für deren Umsetzung ein.

Demnach lehnen wir eine Zuwanderung ab, die lediglich darauf gerichtet ist, die europäische Freizügigkeit zu missbrauchen und die sozialen Sicherungssysteme unseres Landes auszunutzen. Es bedarf einer europäischen Lösung, um die Lage in den Herkunftsländern zu verbessern und Missbrauch zu verhindern. Insbesondere müssen Lebensbedingungen und Integration der Menschen in ihren Heimatländern deutlich verbessert werden, sodass sie dort eine Perspektive haben.

Im aktuellen Fall von Syrien hat Deutschland derweil mit der angekündigten Aufnahme von 5.000 syrischen Flüchtlingen begonnen. Die Sicherheitslage in Syrien macht es sehr schwer, den betroffenen Zivilisten vor Ort zu helfen. So wurden zum Beispiel im syrischen Bürgerkrieg internationale Hilfsorganisationen angegriffen, die Lebensmittel verteilen wollten. Beide Bürgerkriegsparteien tragen für die katastrophale Lage Verantwortung, wobei der syrische Präsident Assad hauptverantwortlich für die Eskalation ist. Dieser hat jegliche Legitimation verloren, weiter über Syrien zu herrschen.

Deutschland gehört zu den Ländern, die am meisten geben, um die große Not zu lindern. Seit 2012 gab Deutschland über 130 Millionen Euro, um die betroffenen Menschen zu unterstützen. Darüber hinaus hilft Deutschland der notleidenden syrischen Zivilbevölkerung in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union. Dies gilt auch für die zahlreichen Flüchtlinge, die in den Nachbarländern Syriens Zuflucht gesucht haben. Der Abschiebungsstopp nach Syrien wurde am 15. März 2013 um weitere sechs Monate verlängert. Deutschland gewährt bereits jetzt einer Vielzahl von Syrern Schutz. Mit mehr als 10 000 Asylbewerbern im Jahr 2012 und in den ersten drei Monaten 2013 gehört Syrien zu den Hauptherkunftsländern. Deutschland und Schweden haben zusammen etwa zwei Drittel aller Syrer aufgenommen, die in Europa Schutz gefunden haben.

Beim G8-Gipfel in Nordirland am 18. Juni 2013 vereinbarten die Staats- und Regierungschefs, die humanitäre Hilfe noch einmal zu erhöhen – um mehr als eine Milliarde Dollar. Deutschland wird 200 Millionen Euro dazu beitragen. Dies ist der größte Beitrag, den Deutschland jemals für eine humanitäre Aktion bezahlt hat. Die G8-Staaten verständigten sich weiterhin auf eine Konferenz in Genf, auf der über eine Übergangsregierung für Syrien beraten werden soll. Die geplante Konferenz bietet die Chance, die Konfliktparteien und die internationale Gemeinschaft an einen Tisch zu bringen und einen Ausweg aus dem blutigen Konflikt zu finden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Luther