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Michael Luther
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Frage von Henry K. •

Frage an Michael Luther von Henry K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Luther,

der Haushaltsausschuss hat gestern dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Erweiterung des Euro-Rettungsschirms (EFSF) zugestimmt. Danach soll das Ausleihvolumen des EFSF von bisher 240 Milliarden Euro auf rund 440 Milliarden Euro angehoben werden. Dadurch würde der deutsche Anteil an Kreditbürgschaften für überschuldete Euro-Länder von 123 Milliarden Euro auf 211 Milliarden Euro steigen.
Abgesehen davon, dass mir das eine sehr schwerwiegende Entscheidung für die Zukunft unseres Landes zu sein scheint, interessiert mich, weshalb Deutschland über die Hälfte dieses gewaltigen Betrages zu übernehmen hat. Macht unsere Wirtschaftsleistung die Hälfte der Euro-Zone aus, oder die Bevölkerung Deutschlands? Wie ist diese unglaubliche Summe errechnet worden? Und: Wer soll in Deutschland diese Beträge aufbringen, wenn sie denn abgerufen werden?

Mit freundlichen Grüßen
Henry Krause

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Sehr geehrter Herr Krause,

vielen Dank für Ihre Frage bei www.abgeordnetenwatch.de Lassen Sie mich deutlich sagen, dass ich Ihre Sorgen über die Lage der gemeinsamen europäischen Währung nachvollziehen kann. Europa ist unsere Zukunft. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns an einer Wegscheide in Bezug auf die Zukunft des Euro befinden. Es gilt, jetzt die richtigen Lehren aus den Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre zu ziehen.

Eine Währungsunion ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie kann nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedslandaus eigener Kraft wettbewerbsfähig ist und solide wirtschaftet. Daher verbessern wir mit der Schärfung des Stabilitätspakts und den jetzt verabschiedeten Maßnahmen die Rahmenbedingungen für eine stabile und wettbewerbsfähige Währungsunion.

Die Euro-Schuldenkrise zwingt uns zu weitreichenden Maßnahmen. An diesem Donnerstag haben wir im Bundestag nun grünes Licht für den erweiterten Rettungsschirm EFSF gegeben. Diese Entscheidung ist eine wichtige Zäsur in den Bemühungen zum Schutz unserer gemeinsamen Währung. Mit dem neuen Rettungsschirm haben wir nun, neben der Möglichkeit zur Gewährung von Krediten und zur Übernahme von Garantien für notleidende Staaten, auch weitere Instrumente in der Hand, um eine Ausweitung der Krise einzudämmen, falls dies notwendig werden sollte. Vor allem ist nun festgeschrieben, dass der Bundestag bei allen Rettungsmaßnahmen das letzte Wort hat.

Wir stecken in einer turbulenten Epoche, in der Deutschland und auch sein erfolgreiches Modell vor immer neue Herausforderungen gestellt wird. Es ist gerade drei Jahre her, dass die Welt von der größten Finanzkrise seit über 80 Jahren heimgesucht wurde. In der Folge brach die Weltkonjunktur ein. Auch Deutschland wurde von einer Rezession erschüttert. Die Wirtschaft schrumpfte um fünf Prozent.

Deutschland hat diese Krise überwunden. Unser Land steht heute besser da, als wir 2008 und 2009 zu hoffen gewagt haben. Doch wir können noch nicht aufatmen. Als Folge der Finanzkrise, aber vor allem als Konsequenz einer fatalen Haushaltspolitik vieler Staaten Europas müssen wir uns heute um die Stabilität des Euro Sorgen machen.

Wie zuvor in der Finanzkrise mussten die Staaten deshalb in den zurückliegenden Monaten erneut gewaltige Rettungsschirme aufspannen. Nur so konnten sie einzelne Länder vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren. Nur dank der Garantien war es diesen Ländern möglich, neue Anleihen an den Märkten aufzunehmen. Wir haben dies aus Solidarität getan, aber vor allem auch aus deutschem Interesse. Unsere Währung muss stabil bleiben. Das ist bis zum heutigen Tag gelungen.

Die christlich-liberale Koalition hat in den vergangenen Monaten umsichtig gehandelt. Bundeskanzlerin Merkel hat dafür gesorgt, dass die Europäer die Mittel und vor allem die Expertise des Internationalen Währungsfonds nutzen. Der Währungsfonds hat in den zurückliegenden Jahren viel Erfahrung darin gesammelt, überschuldete Staaten zu sanieren. Ohne das Drängen der Kanzlerin wären vor allem Griechenland nicht so strikte Auflagen gemacht worden. Hilfe, das war für die christlich-liberale Koalition immer klar, gibt es nur bei eigenen Reformanstrengungen.

Viele Bürger fragen seit Monaten, ob es denn gerecht sei, Griechenland überhaupt zu helfen. Vielen fällt es verständlicherweise schwer, darüber hinwegzusehen, dass griechische Regierungen in der Vergangenheit ihre Partner in Europa getäuscht haben. Allerdings muss auch bedacht werden, dass die Bürger in Athen oder Saloniki nicht für das Handeln ihrer Regierungen verantwortlich gemacht werden können. Eine Rückschau löst auch keine Probleme. Politik muss immer in die Zukunft schauen. Wir müssen das Morgen gestalten.

Die Krise um Griechenland dauert schon über ein Jahr. Allerdings haben wir in den vergangenen Monaten Zeit gewonnen. In Griechenland konnte die Regierung mit den Reformen zumindest beginnen, auch wenn natürlich der bisherige Verlauf nicht jeden zufrieden stellen kann.

Wie hat sich nun die Lage durch den neuen Rettungsschirm verändert, über den wir in den vergangenen vier Wochen diskutiert haben? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst vor Augen führen, was auf dem Spiel steht:

Sicher ist, dass ein Zahlungsausfall schon eines einzigen Euro-Landes gravierende Folgen für das Finanzsystem in Europa haben dürfte. Banken hätten wie während der Finanzkrise einen enormen Abschreibungsbedarf. Damals gerieten sie wegen der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers in Schieflage. Heute könnte Ähnliches drohen, weil die entsprechenden Anleihen, sprich die Kredite, von den Staaten nicht zurückgezahlt werden. Niemand weiß, ähnlich wie 2008/2009, wie schwerwiegend die Banken betroffen wären. Folge könnte eine Kreditklemme sein, die die gesamte Wirtschaft lähmen könnte.

Wenn auch nur ein Land zahlungsunfähig wäre, würden sich die Finanzmärkte zu weiteren Spekulationen gegen andere Staaten ermuntert fühlen. Sie würden sich doch fragen, warum nicht auch andere Länder zahlungsunfähig werden könnten, wenn wir zum Beispiel Griechenland fallen lassen würden. Ein Dominoeffekt könnte eintreten. Das alles wäre nur schwer zu beherrschen.

Um es vorwegzunehmen: Ein Zahlungsausfall Griechenlands kann daher nach wie vor nicht unser Ziel sein. Es wäre für Deutschland besser, wenn die Regierung in Athen gemeinsam mit der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Währungsfonds eine tragfähige Perspektive für ihre Wirtschaft entwickelte und vor allem ihre Zusage für den Schuldenabbau einhielte. Die Troika aus den drei Institutionen ist derzeit in intensiven Gesprächen mit der griechischen Regierung. Erst nach ihrem abschließenden Urteil werden wir wissen, wo wir stehen. Wir sollten diese Gespräche in Ruhe abwarten. Es ist jetzt nicht die Zeit für Spekulationen.

Mit dem Rettungsschirm haben wir, neben der Hilfen für notleidende Staaten, nun aber ein Instrument, mit dem wir überhaupt auf Zahlungsausfälle vernünftig reagieren können. Er gibt uns in der Euro-Schuldenkrise ein Stück mehr Sicherheit in unserer Reaktion auf unvorhergesehene Entwicklungen. Wir haben nun die Chance, im Fall X die Kontrolle zu behalten.

Wir haben mit dem Rettungsschirm vor allem ein Instrument, um das europäische Bankensystem zu stützen. Natürlich ist es primär Sache der Banken selbst, sich gegen Verluste zu schützen. Dann sind natürlich auch die Nationalstaaten in der Pflicht, ihre Banken zu stützen, so wie wir das damals in der Finanzkrise getan haben. Aber die Folgen von Bankenturbulenzen, das lehrt ein Blick zurück, machen an den Staatsgrenzen nicht halt. Sie treffen auch immer die gesamte Wirtschaft. Nie bleiben die Arbeitnehmer verschont.

Der neue Euro-Rettungsschirm wird aber auch wieder nur eine Zwischenlösung sein. Es ist ein wichtiger und bedeutender Schritt hin zu einem permanenten Rettungsmechanismus, dem ESM, den wir 2013 in Kraft setzen. Denn langfristig müssen wir unser Haus Europa auf festere Fundamente stellen. Wir brauchen daher auch eine Änderung der europäischen Verträge, nicht zuletzt um die Verpflichtung zu solider Haushaltspolitik im Zweifelsfall auch durchsetzen zu können.

Grundsätzlich möchte ich dem vielfach geäußerten Vorwurf widersprechen, dass wir dabei sind, eine Transferunion und eine Haftungsgemeinschaft zu errichten. Hilfen für notleidende Euro-Staaten wird es nur im Einzelfall und unter strikten Bedingungen und Auflagen geben, nicht zuletzt unter Beteiligung der privaten Gläubiger. Natürlich sind Belastungen für die Steuerzahler nicht ausgeschlossen. Ich glaube aber, dass das Risiko auf das notwendige Mindestmaß beschränkt bleibt. Zu einer Transferunion käme es vielmehr, wenn die sogenannten Euro-Bonds, also Staatsanleihen mehrerer Euro-Staaten mit einem einheitlichen Zinssatz, eingeführt würden, so wie es die SPD und auch die Grünen verlangen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Luther