Frage an Michael Kronawitter von Gretchen M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Kronawitter,
mit Erschrecken konnte ich der Presse entnehmen, dass ein Namensverwandter (ein Dr. Manfred Kronawitter) das linke Wohnprojekt in der Brunnenstrasse 183 aufgekauft hat. Offenbar wollten die Hausbewohner dieses selber erwerben, wurden aber überboten. Sollte es sich um einen nahen Verwandten Ihrerseits handeln-könnten Sie nicht daran Ihre Verhandlungsfähigkeit und Durchsetzungsbreitschaft unter Beweis stellen, und den Käufer davon überzeugen, dass er sich mit den Bewohnern einigt? Schliesslich kann die Umstrukturierung von Berlin Mitte (auch wenn es nicht Ihr Wahlkreis ist) und die damit einhergehende Vertreibung von linken, alternativen Projekten hoffentlich nicht im Sinne der WASG sein. Ähnliches hat sich in Kreuzberg ja bereits vor Jahren vollzogen.
Mit freundlichen Grüßen, Gretchen
Hallo Gretchen Müller,
auch ich bin immer wieder erschrocken, mit welcher Unverfrohrenheit gegen soziale Projekte in Berlin vorgegangen wird. Während Hunderte von leeren Objekten im Besitz des Senats nur Kosten verursachen, ohne genutzt zu werden, werden vielen Projekten die Mittel entzogen. Statt die leerstehenden Gebäude Menschen und Initiativen zur Verfügung zu stellen, werden sie von Bezirken oder vom Liegenschaftsfond undurchsichtig verwaltet und privatisiert, oft an sogenannte Investoren verschleudert. Ein schlimmes Beispiel ist das lange leerstehende Bethanien in Kreuzberg. Die "Initiative für ein Soziales Zentrum" hatte das Gebäude im Juni 2005 nach der Räumung der Yorckstr. besetzt. Die Bezirksbürgermeisterin Reinauer (PDS) wollte das Gebäude privatisieren und von der Polizei räumen lassen. Nur ein Volksbegehren, das innerhalb kürzester Zeit 14.000 Unterschriften sammelte, konnte die Pläne der PDS-Politikerin stoppen. Im Falle der Brunnenstr. mit dem bekannten "Umsonstladen" sieht man, wie die Verdrängung durch freien Wettbewerb funktioniert. Jahrelang wurde das Haus in der Hand von "Investoren" dem Verfall preisgegeben. Die Politik enthält sich dabei, ergreift keine Schritte gegen diese Art der "Verwertung" und verweist auf die Ohnmacht gegenüber den Gesetzen des Kapitalismus. Leider hat der Senat in den letzten Jahren auch die Unterstützung von Mietergenossenschaften eingestellt. Stattdessen wurden in weniger als 5 Jahren von SPD und PDS mehr als 100.000 Wohnungen unter anderem an den Cerberus-Konzern verschleudert. Es ist meiner Meinung nach nicht hinzunehmen, dass mit Wohnraum spekuliert wird und Mieter der Bereicherung von Hauseigentümern dienen. Was tun? Kurzfristig halte ich Hausbesetzungen für die richtige Antwort auf diese Zustände. Langfristig muss das Grundrecht auf eine Wohnung durchgesetzt und der Handel mit Grundrechtsgütern beendet werden. Dazu zählt beispielsweise auch Gesundheit.
Im konkreten Fall der Brunnenstr. heisst das jetzt alle Formen des Widerstands zu nutzen, um eine Verteibung der MieterInnen zu verhindern. Dazu gehören auch Aktionen des zivilen Ungehorsams. Mittelfristig hilft wahrscheinlich nur der Selbstkauf durch die Betroffenen, um das Haus privaten Profitinteressen zu entreissen. Selbstverständlich werde ich das Projekt mit allen möglichen Mitteln unterstützen, dabei ist meine tatkräfige Unterstützung beispielsweise durch eine Sitzblockade gegen dier Räumung eingeschlossen. Was politische Konflikte in der Verwandtschaft angeht, möchte ich Sie fragen: Kennen sie das auch? Kennen sie die harten Fronten, die bei unterschiedlichen Lebensentwürfen und Lebensrealitäten entstehen? Kennen Sie den Zustand von festgefahrener oder beendeter Kommunikation? Auch bei grösster Anstrengung sind Konfliktbeteiligte als Mediatoren gänzlich ungeeignet. Und wir sind uns sicher einig, dass Sippenhaftung kein Merkmal einer fortschrittlichen Gesellschaft ist. In diesem Sinne, freue ich mich, auf gemeinsame widerständige Aktionen - vielleicht mit Ihnen?
Ihr Michael Kronawitter