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Michael Kretschmer
CDU
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Frage von Martin S. •

Frage an Michael Kretschmer von Martin S. bezüglich Soziale Sicherung

Werter Herr Kretschmer,

aus den Medien entnehme ich das Sie Bildungsgutscheine für Hartz- Empfänger befürworten und Diskussionen um eine angebliche Bevormundung als scheinheilig empfinden. Hierzu hätte ich mehrere Fragen.

1) sind Sie sich bewußt das die experimentelle bzw. flächendeckende Einführung solcher Gutscheine in den USA und in Chile, übrigens dort als direkter Teil einer "neoliberalen" Umgestaltung der Gesellschaft nach dem Putsch von 1973, zu keiner belegbaren Verbesserung der Situation führte(*)? Wenn ja, wieso befürworten Sie dennoch diese Idee?
2) die zugrunde liegende Idee derartiger Gutscheine ist die Vermutung bzw. der Vorwurf die Eltern würden finanzielle Zuweisungen nicht kindgerecht verwenden. Teilen Sie derartige Vermutungen nur gegenüber Hartz- Empfänger oder auch gegenüber Empfängern anderer staatlicher Leistungen? Können Sie sich vorstellen auch andere staatliche Leistungen, wie etwa das Kindergeld oder die Kostenpauschale von Abgeordneten, teilweise in ein Gutscheinsystem zu überführen um eine zweckgemäße Verwendung zu garantieren?
3) Die Verteilung von Bildungsgutscheinen verstehe ich als das Eingeständnis des Staates das das staatliche Bildungssystem seinen Bildungsauftrag nicht vollständig erfüllt, weil es Benachteiligungen nicht innerhalb des Schulsystems korrigiert. Sehen Sie dies auch so?
4) in einer weiteren Meldung sagten Sie Sie wollten Hartz- Empfänger nicht stigmatisieren. Bitte erläutern Sie wie ein Kind eines Hartz- Empfängers nicht stigmatisiert wird wenn es statt mit Geld mit Gutscheinen "bezahlt".

*Chang-Tai Hsieh: The effects of generalized school choice on achievement and stratification: Evidence from Chile’s voucher program. In: Journal of Public Economics Nr. 90, 2006, S. 1477–1503 und Mayer, Daniel P., “School Choice in New York City After Three Years: An Evaluation of the School Choice Scholarships Program.” Mathematica; February 19, 2002.

Mit freundlichen Grüssen, Martin Schreiber

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schreiber,

vielen Dank für Ihre Fragen und Anmerkungen. Gern erläutere ich Ihnen meinen Standpunkt.

Zu 1) Bei der Reform der Hartz-IV-Regelsätze hat für mich oberste Priorität, dass das zusätzliche Geld auch tatsächlich zu 100 Prozent bei den Kindern ankommt, um gezielt ihre Bildung, Ausbildung und soziale Teilhabe zu verbessern. Diese Zweckbindung lässt sich am wirkungsvollsten durch konkrete Sachleistungen sicherstellen, indem den Kindern Angebote - etwa für Mitgliedschaften in Sportvereinen, Musikschulen oder in der Nachhilfe - angeboten werden. Es gibt in Deutschland regional bereits gute Erfahrungen mit der Hilfe durch Sachleistungen, beispielsweise mit der "Familiencard" in Stuttgart.

Zu 2) Sie unterstellen in Ihrer Frage Positionen, die ich nicht teile und die ich mir auch nicht zu eigen mache.
Ich halte Sachleistungen für Bildung und Ausbildung für geboten, weil hier Handlungsbedarf besteht. 20 Prozent der heute Fünfzehnjährigen gehören zur sogenannten PISA-Risikogruppe. Diese Kinder haben kaum die Chance, ihre Schullaufbahn mit einem erfolgreichen Abschluss zu beenden und einen Weg in den Arbeitsmarkt zu finden. Lernschwachen Kindern helfen wir am meisten, wenn wir zusätzliche Leistungen gezielt ihrer Bildung zugutekommen lassen. Dass der Staat Einfluss darauf nimmt, dass staatliche Leistungen zweckgerichtet eingesetzt werden, halte ich für legitim und geboten.

Zu 3) Auch diese Unterstellung teile ich nicht. Bildung ist nicht allein eine Aufgabe des Staates. Ohne die Mithilfe der Eltern und Familien geht es nicht, Erziehung findet zuallererst in den Elternhäusern statt. Bildungsgutscheine sollen benachteiligten Kindern zusätzliche Bildungsangebote eröffnen: jene Kinder, die gut in der Schule sind, können mit den Gutscheinen künstlerische oder musische Angebote oder Sportvereine besuchen. Lernschwache Kinder können damit Nachhilfe oder z.B. die Teilnahme an Lerncamps erhalten. Gerade mit den Lerncamps hat der Freistaat Sachsen sehr gute Erfahrungen: Aktuell haben dreiviertel der versetzungsgefährdeten Schüler, die im Programm des Sächsischen Kultusministeriums "Camp+" unterstützt worden sind, den Sprung in die nächste Klasse geschafft.

Zu 4) Die zusätzlichen Bildungsangebote werden nicht mit Gutscheinen bezahlt werden, sondern gedacht ist an eine Chipkarte ähnlich einer Geldkarte, so wie es im bargeldfreien Bezahlverkehr mittlerweile ganz üblich ist.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Kretschmer

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