Frage an Michael Hofmann von Anna R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Hofmann,
Sie sind Mitglied einer christlichen Partei, inwiefern beeinflusst dieser Glaube ihr politisches Handeln?
Sehr verehrte Frau Reiß,
Sie sprechen eine Grundlage in meinem politischen Handeln an, der mich immer wieder zum Nachdenken anregt. Vielen Dank, dass Sie mir mit Ihrer Frage die Möglichkeit, hierzu etwas zu schreiben.
Zunächst darf ich Ihnen sagen, dass ich nicht nur in einer christlichen Partei bin, sondern meinen Glauben privat auch lebe. Dies kommt aus meiner familiären Erziehung. Wie auch in der Politik bedeutet das für mich nicht, alles zu übernehmen, was "von oben" vorgesetzt wird. Politiker wie Christen sind aufgerufen, kritisch Sachverhalte und Entscheidungen zu hinterfragen und eigene Entscheidungen vor den eigenen Überzeugungen und dem eigenen Gewissen zu rechtfertigen.
Vielfach gehen die Menschen davon aus, dass Mitglieder der CSU christliche Politik machen sollten. Das kann nicht funktionieren. Sehr viele Menschen in unserer Gesellschaft können sich für den christlichen Glauben nicht erwärmen. Das darf nicht dazu führen, dass sie ausgeschlossen sind in meinen oder unseren politischen Überlegungen. Es ist die Aufgabe des Politikers, für alle Menschen - ob sie ihn gewählt haben oder nicht, ob sie den privaten Glauben teilen oder nicht - da zu sein und etwas für sie zu erreichen, wenn das Anliegen überzeugend ist. Dies kann christliche Politik nicht, insbesondere wenn sie als missionarisch missverstanden werden müsste.
Ich spreche daher lieber von einer Politik aus christlicher Überzeugung. Diese Überzeugung speist sich aus Prinzipien des christlichen Glaubens, die nach meiner Auffassung auch in der heutigen Politik ein guter Kompass sind. Freiheit und eigenverantwortliches Leben, das Bewahren der Schöpfung, Solidarität mit dem, der sich nicht selbst weiterhelfen kann, und einiges andere. Und wie im Glauben kann es manchmal zu Konflikten zwischen den Prinzipien kommen: z.B. bei Bewahrung der Schöpfung und der Frage, ob ein Gewerbegebiet Arbeitsplätze schafft und damit Menschen ihre Familien ernähren können. Oder die Frage, ab welchem Zeitpunkt einem Menschen aus staatlichen Mitteln Hilfe zugesprochen werden muss oder ihm nicht doch zugemutet werden kann, weitere eigene Anstrengungen zu unternehmen. Das sind zumeist Fragen des Einzelfalls, die aber der Politiker möglichst in einem gut formulierten Text für alle Facetten lösen soll. Von daher kann ich Ihnen mit konkreten Beispielen nur bedingt helfen. In meiner Arbeit als Kreisrat im Landkreis Forchheim habe ich mich zB in Sachen Trubachtalquerung massiv von dem Gedanken der Bewahrung der Schöpfung leiten lassen, obwohl die Befürworter auch Argumente zur Hand hatten, die mich aber wegen des hohen Gewichts, das ich auf die Schöpfung gelegt hatte, nicht überzeugen konnten.
Ich versuche, meine politischen Entscheidungen zunächst gegenüber den Menschen, aber auch vor meinem christlichen Glauben zu rechtfertigen. Aber während der Christ auch scheitern darf, sollte das dem Politiker möglichst nicht passieren. Er wird deshalb - und weil seine Entscheidungen überwiegend andere betreffen - sehr genau und sorgfältig abwägen müssen, ob er nicht ein überzeugendes Argument übersehen oder das falsche zu sehr gewichtet hat. Dadurch entstehen leider aber auch langsame Entscheidungsprozesse.
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantworten konnte, würde es aber auch verstehen, wenn Sie hierzu auch noch einmal nachfragen, weil es auch eine komplexe Fragestellung ist. Ich freue mich dann darauf, den einen oder anderen Aspekt, der Sie noch konkreter interessiert, noch vertiefen zu dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Michael Hofmann