Frage an Michael Gwosdz von Elke D. bezüglich Bildung und Erziehung
Schulreform und LSR Lese-/Rechtschreibschwäche. Gestern bekam ich die Broschüre zur Schulreform. Ich schöpfte Hoffnung, dass mein Sohn (2.Kl.), der -trotz tgl. übens- sehr große Schwierigkeiten hat Lesen und Schreiben zu erlernen bald angemessen gefördert wird. Eigentlich müssen solche Kinder ja eine private Lerntherapie machen, die wir leider nicht bezahlen können. Mit den erreichten 15% bei der Hamburger Schreibprobe ist er zwar schlecht und wird die 3.Kl. wohl kaum schaffen, aber noch nicht förderungswürdig durch das Jugendamt oder Krankenkasse. Ein gutes Coaching, wie in der Broschüre versprochen, mit Übungen (z.B.ständiges Wiederholen der Rechtschreibregeln) wäre schon sehr hilfreich. Das ist aber nicht vorgesehen. Wurden Kinder mit LSR bei der Schulreform vergessen? In Mecklenburg-Vorpommern z.B. werden Kinder mit LSR in speziellen Klassen zusammengeführt und nach einem Coaching kommen sie zurück in den ursprünglichen Klassenverband. So haben auch arme Kinder, deren Eltern sich keine teure Lerntherapie leisten können, die Möglichkeit einen Schulabschluss zu erlangen - auch das Abitur. Schade, dass meinem Kind das nicht möglich sein wird, obwohl er sehr klug und fantasievoll ist, dazu talentiert im Umgang mit dem Computer. Ein Talent, dass Hamburg wohl nicht braucht, zumindest nicht um jeden Preis-denn darum geht es wohl.
Sehr geehrte Frau Dähnert,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Aufgrund von Haushaltsberatungen und Urlaub komme ich erst jetzt dazu, Ihnen zu antworten.
Zuerst möchte ich Ihnen sagen, dass wir ganz sicher auch die Talente Ihres Sohnes brauchen und ihm der Weg zum Abitur nicht versperrt werden soll. Es mag sein, dass in den Rahmenkonzepten nicht auf jede einzelne mögliche Problematik eingegangen wird. Dies ist aber in diesem Rahmen nicht möglich und bedeutet nicht, dass wir Kinder mit Schwierigkeiten oder Schwächen jeglicher Art nicht unterstützen und fördern möchten oder innerhalb der Schulreform vergessen hätten. Im Gegenteil: Eines unserer Ziele ist es, die Lernerfolge jeder Schülerin und jeden Schülers zu erhöhen. Dazu gehören dem entsprechend auch Kinder mit Lese-/Rechtschreibschwäche.
Die Schulreform beinhaltet nicht nur die Änderung der Schulformen, sondern etabliert auch eine neue Lernkultur. Die stärkere Individualisierung des Lernens gehört dazu und bedeutet eine konsequente Orientierung an den Kompetenzen und der eigenen Entwicklung der einzelnen SchülerInnen. Im Rahmenkonzept heißt es:
„Unterschiede in der Entwicklung, in Lerntempo und Lernstil, im Leistungsvermögen und im Unterstützungsbedarf sind Ausgangspunkte pädagogischen Handelns.“
Der individuelle Unterstützungsbedarf ihres Sohnes wird also dann gesehen und es wird ihm geholfen. In welcher Form oder Art von „Therapie“ oder Coaching dies im jeweiligen Einzelfall geschehen wird, steht heute natürlich noch nicht fest.
Wir wissen, dass Kinder mit Lese- und/oder Rechtschreibschwäche natürlich genauso talentiert sein können wie andere und dass diese eine Schwäche nichts über Talente oder Fähigkeiten im Allgemeinen aussagt. Es ist nicht so, dass Kinder mit Lese- Rechtschreibschwäche kein Abitur machen könnten und es soll auch nicht so sein, dass die betroffenen Kinder und Eltern allein gelassen werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Gwosdz