Frage an Michael Gwosdz von Jonathan H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Gwosdz,
Inwieweit dürfen ihrer Meinung nach private Investoren an der Gestaltung des Unterrichts teilhaben?
Sollte der Unterricht wie bisher nur von der Schulbehörde vorgegeben werden, oder sollten Firmen Vorschläge machen dürfen, in welchen Fächern welcher Stoff behandelt werden sollte?
Sollten die Schulbücher von der Schulbehörde vorgegeben werden, oder sollten Firmen Informationsmaterial zur Verfügung stellen dürfen?
Mit freundlichen Grüßen
Jonathan Held
Sehr geehrter Herr Held,
die Gestaltung des Unterrichts ist zunächst einmal Sache der Lehrerinnen und Lehrer. Diese haben dafür mit den Bildungsplänen Vorgaben für den Rahmen, innerhalb dessen sie den Unterricht gestalten. Wichtig ist: Die Bestimmung der Unterrichtsinhalte ist und bleibt Staatsaufgabe. Daran sollte meiner Meinung nach auch nicht gerüttelt werden. Das vorweg, bevor ich zunächst mit einer Gegenfrage antworte: was genau meinen Sie einerseits mit "private Investoren", wie weitgehend verstehen Sie "Gestaltung des Unterrichts"? Wenn z.B. im Rahmen der Berufsorientierung eine Schule Kontakte zu Firmen aufbaut, Vertreter dieser Firmen auch in die Schulen kommen, um dort mit Schülerinnen und Schülern über die Anforderungen zu sprechen, die auf künftige Arbeitskräfte warten, dann gestaltet die Firma den Unterricht natürlich indirekt mit - die Federführung liegt aber weiter bei der Lehrerin oder dem Lehrer, diese/r hat auch die Aufgabe, eventuell einseitige Darstellungen als solche darzustellen und einzuordnen. Das gleiche gilt auch, wenn eine Firma oder ein Interessenverband Schulen gleich ganze Lehreinheiten zu einem Thema anbietet und diese mit eigenem Personal in der Schule durchführt - dies kann im Rahmen der Bildungspläne eine spannende Ergänzung sein, wenn durch die Lehrerinnen und Lehrer die interessengeleitete Darstellung des Themas offengelegt wird und z.B. durch weitere Unterrichtseinheiten auch andere Sichtweisen zum Thema dargestellt werden.
Das gilt natürlich auch für Informationsmaterial, das Firmen oder Interessenverbände zur Verfügung stellen, wobei es hier noch deutlich einfacher ist, z.B. durch die Verwendung von Material von verschiedenen Firmen und Interessenverbänden zu einem Thema unterschiedliche Sichtweisen darzustellen. Genauso kann ich mir aber auch vorstellen, dass eine Firma oder ein Verband schlicht Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellt, das genau dem Stand der Wissenschaft entspricht und neutral genug ist - hier wäre es sinnvoll, das Material durch eine staatliche Stelle zu bewerten und einzuordnen. Ich gehe ohnehin davon aus, dass das klassische Schulbuch wegen der aufwändigen Produktion und Vorlaufzeit bei gleichzeitig immer kürzerer Halbwertszeit von Wissen an Bedeutung verliert und dafür Materialsammlungen an Bedeutung gewinnen. Hier denke ich zwar in erster Linie an Material von Schulbuchverlagen oder auch an einen Pool von Unterrichtseinheiten, den Lehrerinnen und Lehrer untereinander zur Verfügung stellen können. Die Aufnahme in einen offiziellen Materialpool sollte aber geprüft werden, und diese Prüfung könnte auch für Material von Firmen gelten.
Wenn es nun um die Frage geht, in welchen Fächern welcher Stoff behandelt werden sollte, also was im Kern überhaupt an Schulen unterrichtet wird, gilt gerade hier, dass die Bestimmung der Unterrichtsinhalte Staatsaufgabe ist und bleibt. Allerdings darf dies nicht losgelöst von jeder gesellschaftlichen Debatte sein. Und als Teil dieser Debatte können Firmen und Interessenverbände natürlich Vorschläge machen, was im Unterricht behandelt werden sollte und was nicht. Dies geschieht auch heute schon - wenn Sie diese Debatten verfolgen, merken Sie aber auch rasch, dass all die verschiedenen Vorschläge, Wünsche und Ideen nicht parallel zu realisieren sind. So bleibt es dann Aufgabe der Schulbehörde, in der Diskussion mit den gesetzlich vorgesehen Organen und der Wissenschaft, über die letztlichen Unterrichtsinhalte zu entscheiden.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Gwosdz