Frage an Michael Fuchs von Philipp K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Fuchs,
sie haben dem EU-Vertrag von Lissabon zugestimmt. Sicher haben auch Sie die Diskussion um den Vertrag mitbekommen, weswegen ich nicht auf einzelne fragwürdige Punkte wie die Verpflichtung zur Aufrüstung o.Ä. eingehen will.
Ihr Bundestagskollege Hermann Scheer lies folgendes verlautbaren:
"Ich habe mich an der Abstimmung über den EU-Reformvertrag nicht beteiligt, weil ich mich grundsätzlich einer Teilnahme verweigert habe aus einem übergreifenden und zentralen Grund: Ein vollständiger Vertragstext lag nicht vor. Insofern fehlte aus meiner Sicht die Voraussetzung für eine entsprechende Abstimmung."
Meine Frage an Sie: Trifft es zu, dass der Vertrag bei der Abstimmung nicht vollständig vorlag? Wie können Sie über einen so kontroversen und vieldiskutierten Vertrag abstimmen, wenn er Ihnen nichteinmal zur Abstimmung vorlag? Finden Sie es "nicht wichtig" sich damit auseinanderzusetzen, schließlich ist der fast baugleiche Vorgänger des Vertrags in mehreren Referenden bereits gescheitert (und wurde dann leicht verändert OHNE Referendum durchgewunken)
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort
Philipp Klein
Sehr geehrter Herr Klein,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen über die Verabschiedung des EU-Reformvertrages. Der Deutsche Bundestag stimmte am 24. April 2008 mit großer Mehrheit für den Reformvertrag von Lissabon. Von 574 Abgeordneten stimmten 515 mit „Ja“ und das zu Recht: Denn das Vertragswerk, in das wesentliche Elemente der gescheiterten EU-Verfassung übernommen wurden, enthält wichtige Neuregelungen. Dazu gehört neben der verlängerten Amtszeit des EU-Ratspräsidenten und dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auch ein verbessertes Abstimmungsverhältnis in den Räten.
Bei den Neuerungen des Vertrages von Lissabon hat es sich europarechtlich nicht um eine völlig neue Sachlage gehandelt. Vielmehr hat der Reformvertrag in beträchtlichem Umfang die politische Substanz des europäischen Verfassungsvertrages aus dem Jahre 2004 übernommen, der leider in den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden scheiterte. Als Ergebnis aus den Anhörungen und Expertengesprächen kann ich Ihnen berichten, dass mit Ausnahme der von der Fraktion DIE LINKE benannten Sachverständigen die Experten einmütig uns Abgeordneten die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon empfohlen haben.
Der Reformvertrag selbst lag uns Angeordneten als Gesetzentwurf der Bundesregierung seit dem 20. Februar 2008 vor, also gut zwei Monate vor der Abstimmung im Parlament. So hatten alle Mitglieder des Bundestags genügend Zeit, sich mit diesem wichtigen Vertrag eingehend zu befassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michael Fuchs