Frage an Michael Fuchs von Marlene O. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Fuchs,
ich habe mit Verärgerung gelesen, dass sich die CDU wegen Mitgliederschwund einen guten Schluck aus den Steuereinnahmen zwecks Parteienfinanzierung und alle Bundestagsabgeordneten wegen Diätenerhöhungen genehmigen wollen.
Dazu passen so gar nicht Ihre Ausführungen zur Frage von Herrn Schwarz (16.08.07). Ich zitiere aus Ihrer Antwort:
"Wenn wir nun, nach langer Zeit, ein ordentliches Wirtschaftswachstum und einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen erreicht haben, dürfen wir diese Erfolge nicht sofort wieder riskieren, indem wir das soziale Füllhorn noch kräftiger ausschütten. Wie gesagt, wir befinden uns bei den Sozialleistungen bereits auf dem Höchststand."
Wie können Sie es als "christlicher Demokrat" verantworten, dass ca. 2 Millionen Kinder in Deutschland in Armut durch Hartz IV leben, ca. 8 Millionen Menschen in der einen oder anderen Weise von Hartz IV betroffen sind - aber gleichzeitig Sie bzw.Ihre Partei nach Geld für die Parteifinanzierung schreien und auch noch eine "kleine" Diätenerhöhung in Höhe von über 600 Euro/Monat erhalten wollen?
Bitte schreiben Sie nicht, dass Sie und Ihre Kollegen im Bundestag schon seit Jahren keine Erhöhungen Ihrer Bezüge erhalten haben. Viele Vollzeitarbeitnehmer sind heutzutage auf ergänzendes ALG II angewiesen. So sind die Löhne "gewachsen". 0,54 % Erhöhung der Renten bzw. Hartz IV Regelsätze reichen nicht aus, die Inflation auszugleichen, geschweige ein menschenwürdiges Leben zu sichern.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband stellte im Jahre 2003 fest, dass der Hartz IV Regelsatz für eine alleinstehende Person 403 Euro/Monat sein sollte plus Kosten der Unterkunft (KdU), im Jahre 2006 Euro 415,00 plus KdU. Das kann man frei nachlesen. Daher sind die Regelsätze, die durch die Regierung hinter verschlossenen Türen beschlossen wurden, nicht bedarfsdeckend und die Berechnung von Hartz IV bis dato ein Betrug an Kindern, Familien und Alleinstehenden, die von Hartz IV betroffen sind.
MfG
Marlene Osthege
Sehr geehrte Frau Osthege,
in Ihrer Frage an mich nehmen Sie Bezug auf eine von mir geschriebene Antwort an einen anderen Bürger. Diese Äußerung möchte ich an dieser Stelle noch einmal bekräftigen.
Wir erleben gegenwärtig in der Tat eine sehr positive Entwicklung in unserem Land. Der Aufschwung hält sich, die Arbeitslosenzahlen sinken weiter und die Zuversicht in unserem Land ist deutlich spürbar. Dies ist ein Erfolg, der vor allem den richtigen Reformen dieser Großen Koalition zu verdanken ist.
Richtig ist aber auch, dass wir in diesen Zeiten der Freude über die deutlichen Verbesserungen in unserem Lande nicht leichtsinnig werden dürfen. Wir haben noch immer einen großen Schuldenberg abzutragen. Daher ist es richtig, dass wir unseren Kurs des Reformierens weiter verfolgen und nicht zu einem verfrühten Zeitpunkt Geld ausgeben und damit weitere Schulden anhäufen.
In Teilen der Öffentlichkeit ist leider der Eindruck entstanden, dass das ALG-II lediglich aus dem Regelsatz von 347 Euro monatlich besteht. Tatsächlich kommen aber weitere geldwerte Leistungen hinzu. Nicht alle diese Leistungen werden - wie etwa die Sozialversicherungsbeiträge - an den Leistungsempfänger ausgezahlt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ermittelt, dass eine Bedarfsgemeinschaft monatlich im Durchschnitt 818 Euro erhält. Dieser Betrag entsteht dadurch, dass Wohnungsmiete und Heizkosten in Höhe von 303 Euro übernommen werden sowie die Beiträge für Renten- und Krankenversicherung in Höhe von 152 Euro.
Ein ALG-II-Empfänger erhält damit insgesamt eine Zuwendung, die ungefähr dem Lohn eines Beschäftigten in den unteren Lohngruppen bei einer Vollzeitbeschäftigung mit 40 Wochenstunden entspricht.
Niemand behauptet, dass man von ALG-II komfortabel leben kann. Das ist aber auch nicht der Sinn dieser Zuwendung. ALG-II ist aber kein Einkommen, sondern eine Existenz sichernde Unterstützung für Menschen, die Arbeit suchen. Diese Unterstützung fällt nicht einfach so vom Himmel. Sie muss vielmehr von der Solidargemeinschaft - das heißt: von den Beschäftigten in Deutschland - erarbeitet werden.
Mit diesen Hinweisen will ich die mitunter schwierige Lage von arbeitlosen oder arbeitsunfähigen Mitbürgern nicht beschönigen. Der pauschale Vorwurf an die Politik, sie würde die Lage dieser Menschen ignorieren oder verkennen, ist aber unredlich. Die Große Koalition tut alles, was möglich und finanzwirtschaftlich verantwortbar ist, um die Lage arbeitsloser oder arbeitsunfähiger Mitbürger erträglich zu machen. Dazu gehört auch, dass die Regelleistung des ALG-II jährlich gemäß der Entwicklung bei den gesetzlichen Renten angehoben wird.
Ziel der Großen Koalition ist es, dass möglichst viele Mitbürger, die noch von Arbeitslosigkeit betroffen sind, wieder eine Beschäftigung finden. Die Chancen dafür sind aktuell ungewöhnlich gut. Wir haben einen kräftigen und stabilen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Unternehmen stellen in großem Umfang ein und melden zurzeit 1,4 Millionen offene Stellen. Auch Langzeitarbeitslose haben wieder Chancen. Allein deren Zahl ist in den letzten 12 Monaten um 300.000 zurückgegangen.
Das zeigt: Der Aufschwung kommt mehr und mehr auch bei denen an, die bisher auf dem Arbeitsmarkt als unvermittelbar oder schwer vermittelbar galten. Es lohnt sich und ist auch zunehmend wieder möglich, eine Beschäftigung aufzunehmen und den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michael Fuchs MdB