Frage an Michael Fuchs von Rolf S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Fuchs,
Sie werden heute in den Medien zitiert, dass die Beschäftigung spanischer Arbeitnehmer in Deutschland zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Mein einer Sohn ist 18 Jahre alt, gesund und ungelernt. Wie seine Freunde lehnt er es ab, in unserer Gesellschaft etwas zu lernen, weil sie Arbeitnehmer in Deutschland nur als ausgebeutet ansehen. Er arbeitet jetzt (wieder) für ein Zeitarbeitsunternehmen für 7,60 Euro brutto pro Stunde. Im Arbeitsvertrag stehen 35 Stunden pro Woche, arbeiten soll er 40 Stunden. Bezahlt werden 35 Stunden, erst am 15. des Folgemonats. Was mein Sohn von den Gewerkschaften hält, die solche Tarifverträge abschließen, brauche ich wohl nicht zu schreiben. Die restliche Arbeitszeit kommt auf ein Stundenkonto, wodurch er das unternehmerische Risiko trägt, wenn vorübergehend keine Arbeit da ist. Zur Arbeit fährt er 1,5 Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das kostet ca. 5 Euro (netto, weil Werbungskosten kann er nicht geltend machen, weil er keine Steuern zahlt bei seinem kleinen Verdienst). Diese Woche arbeitet er Spätschicht, von 14 bis 23 Uhr.
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht weiß ich, dass das kein trauriger Einzelfall ist, sondern üblich in Deutschland. Auch Facharbeiter kommen regelmäßig nur über Zeitarbeit in die Unternehmen. Es verdienen zwei Unternehmen an der Beschäftigung eines Menschen, der von seinem Verdienst noch eine Sozialversicherung bezahlt, die ihm nichts nutzt, weil sie ihn nicht besser als Hartz IV stellt.
Ich vertrete auch 50jährige Ingenieure, die ihren Arbeitsplatz verlieren, weil sie durch jüngere und billigere Arbeitnehmer ersetzt werden können und die sich von Hartz IV bedroht sehen.
Ich war mal Mitglied bei der FDP, auch mal im Wirtschaftsrat der CDU. Was soll ich meinem Sohn sagen, welche Zukunft er in unserem Staat hat? Spanier werden die Schatten unseres System nicht so schnell erkennen. Ist das die Motivation unseres Staates, sich neue Bürger suchen?
Sehr geehrter Herr Schaefer,
vielen Dank für Ihren Beitrag auf abgeordnetenwatch.de.
Der im vergangenen Jahr vorgestellte Elfte Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (11. AÜG-Bericht) zeigt, dass Zeitarbeit Brücken in Arbeit für Menschen bauen kann, die sonst schlechte Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt hätten. Gleichzeitig sorgt die Zeitarbeit auf Seiten der Unternehmen dafür, dass diese flexibler auf Nachfragespitzen oder Auftragsflauten reagieren können.
Der Gesetzesrahmen soll neben der Flexibilität auch Schutz für die Zeitarbeitnehmer schaffen. Prinzipiell gilt für sie der Gleichstellungsgrundsatz, das heißt Leiharbeiter müssen zu denselben Bedingungen beschäftigt werden wie die Stammbelegschaft. Eine Ausnahme davon gibt es, wenn die Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften einen Tarifvertrag schließen. Wir dürfen es daher nicht zulassen, dass das grundsätzlich gute und sinnvolle Modell der Zeitarbeit durch Missbrauch in Verruf gebracht wird.
Für Ihren Sohn und alle jungen Menschen ist es daher wichtig und unabdingbar, dass sie sich weiterbilden. Denn Bildung ist das A und O in unserer Gesellschaft, Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg! Bildung und Qualifizierung sind die Voraussetzung für individuelle Lebenschancen und gesellschaftliche Teilhabe. Gut ausgebildete und hoch qualifizierte Frauen und Männer sind gleichzeitig der Schlüssel für Wachstum, Wohlstand und Fortschritt in unserem Land. Unser Ziel ist es, mehr Menschen bessere Aufstiegswege zu eröffnen. Die Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung zielt daher darauf ab, von der frühkindlichen Bildung über Schule und Ausbildung bis hin zum Studium Bildungschancen zu stärken und Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen.
Meine Aussage bezüglich einer möglichen Anwerbung von ausländischen Fachkräften zielt nicht darauf ab, die hiesigen Arbeitnehmer - wie Sie schreiben - „zu ersetzen“, sondern einem in Deutschland drohenden Fachkräftemangel durch qualifizierte Europäer entgegenzuwirken. Bereits in vier Jahren wird es hierzulande schätzungsweise 150.000 Auszubildende weniger geben als heute. Das sind alarmierende Zahlen. Gleichzeitig liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bei rund 40 Prozent! Das liegt aber vielmehr daran, dass vielen dieser gut ausgebildeten jungen Menschen kein Job angeboten werden kann. In meinen Augen ist es daher ein Stück europäische Solidarität, wenn wir diesen jungen Menschen eine langfristige Perspektive bieten und gleichzeitig gegen unsere demografische Entwicklung angehen. Ohne den Zuzug ausländischer Fachkräfte werden wir der demografischen Entwicklung langfristig nicht begegnen können.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michael Fuchs MdB