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Frage von Attila K. •

Frage an Michael Fuchs von Attila K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Dr. Michael Fuchs

zu ihrer Ausage vom 14.05.2010 warum der Artikel 146 des Grundgesetzes noch immer nicht umgesetzt wurde?
"Das Grundgesetz eröffnet weiterhin die Möglichkeit, "in freier Selbstbestimmung" eine neue Verfassung zu schaffen, wenn die Bürger dies wollen."

Da Sie ja auch ein Bürger der BRD sind würde mich interesieren ob Sie es für es richtig und wichtig halten das ein souveräner Staat eine Verfassung die vom Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist besitzt. Was muß das Volk tun damit es "in freier Selbstbestimmung" eine neue Verfassung schaffen kann?
Der Artikel 146 des im Jahre 1949 unter westalliierter Oberhoheit für die Bundesrepublik geschaffene Grundgesetzes lautete bis zum Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 31.8.1990 wie folgt:

»Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.«

Mit Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt Teil II vom 23.9.1990, Seite 885 ff, wurde dieser Artikel wie folgt geändert:

»Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.«

Da die Einheit und Freiheit Deutschlands aber eben noch nicht vollendet worden ist, wie die aufgezeigten fortgeltenden Souveränitätsbeschränkungen beweisen, ergeben sich a) die staatsrechtliche Frage, ob und ab wann es denn überhaupt gilt und b) die bleibende Aufforderung an das deutsche Volk, in freier Entscheidung eine Verfassung zu beschließen, die allein die letzte, in freier Entscheidung gegebene Reichsverfassung von 1919 ablösen könnte.

Wie lange soll dieser friedensvertraglose und verfassungsrechtlich unbefriedigende Zustand noch andauern?
(Das Grundgesetz wurde nie vom Volk Ratifiziert -- Keine Ratifikation = Kein Recht!)

Mfg A.Kanalas

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kanalas,

vielen Dank für Ihre Frage. Wie ich bereits in meiner Antwort vom 14. Mai dieses Jahres geschrieben habe, steht das ursprünglich als Provisorium gedachte Grundgesetz der Bundesrepublik auch nach über 60 Jahren auf der Basis breiter Akzeptanz durch das deutsche Volk.

Laut einer repräsentativen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen aus dem Jahr 2009 sind 70 Prozent der Deutschen mit dem Grundgesetz zufrieden. Eine Emnid-Umfrage hat darüber hinaus ergeben, dass knapp 60 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, das Grundgesetz habe sich bewährt. Lediglich 36 Prozent der Befragten wünschen sich eine neue Verfassung.

Korrespondierend mit den genannten Zahlen wird zudem auch in der Staats- und Rechtswissenschaft nicht nur mehrheitlich kein demokratisches Defizit des Grundgesetzes angenommen. Es erfüllt vielmehr nach Meinung einer Vielzahl der Rechtswissenschaftler alle Funktionen einer Verfassung und wird auch den Legitimitätsanforderungen an eine Verfassung gerecht. Der ursprünglich kritisierte Status des Grundgesetzes als Provisorium bezieht sich demnach nur auf dessen räumlichen und zeitlichen Aspekt, nicht aber auf seinen Inhalt.

Für die Frage nach der Legitimität des Grundgesetzes ist auch der am 12. September 1990 von den vier Besatzungsmächten, der Bundesrepublik Deutschland sowie der Deutschen Demokratischen Republik ratifizierte Zwei-plus-Vier-Vertrag von Bedeutung. Dieser Vertrag wurde an Stelle eines zum Abschluss eines Krieges völkerrechtlich notwendigen Friedensvertrages geschlossen. Er markierte das endgültige Ende des Einflusses der Siegermächte auf die deutsche Politik. Zugleich stellt dieser Vertrag die vollständige Souveränität Deutschlands wieder her.

Dies ist für das deutsche Grundgesetz insofern wichtig, als in diesem Vertrag auch der fortdauernden Gültigkeit des Grundgesetzes für das geeinte Deutschland sowie der Beibehaltung der Bezeichnung „Grundgesetz“ von allen Vertragsparteien zugestimmt und somit dessen Legitimität bestätigt wurde.

Sehr geehrter Herr Kanalas, der trotz der Wiedervereinigung Deutschlands belassene Artikel 146 schließt eine Verfassungsreform mit Aufhebung des Grundgesetzes zwar nicht aus, er verlangt sie aber auch nicht. Wie bereits gesagt besteht weiterhin die Möglichkeit, eine neue Verfassung zu beschließen, sollten die entsprechenden Mehrheiten dafür existieren. Eine derartige Entwicklung ist momentan aber nicht abzusehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Fuchs MdB