Frage an Michael Fuchs von Manfred B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr.Fuchs,
ich möchte Ihnen auch eine Frage zum Sparpaket stellen, das von der Regierung ja immer wieder als sozial ausgewogen dargestellt wird.
Sie selber sprechen in einer Antwort hier vom 21.6. von einem "gesamtgesellschaftlichen
Kraftakt von allen Beteiligten".
Eine interessante Darstellung übrigens, denn ich kann keineswegs erkennen, dass die Vermögenden irgendeinen Beitrag zu dieser Sparanstrengung leisten.
Um dies zu verdeutlichen, meine Frage aus einer anderen Sichtweise:
Die Schulden der öffentlichen Hand sind in den letzten 10 Jahren um 458 Mrd. Euro gestiegen.
http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=&func=row&tr=BQ1720
Gleichzeitig ist im selben Zeitraum das Geldvermögen um 1133 Mrd. Euro gestiegen.
http://www.bankenverband.de/bundesverband-deutscher-banken/presse/wirtschaftsgrafik/wohlstand-in-deutschland-die-entwicklung-des-geldvermoegens/files/fileinnercontentproxy.2010-06-22.6908190587
Man könnte also auch sagen, die Vermögenden konnten ihren Reichtum innerhalb der letzten 10 Jahre um 1133 Mrd. Euro mehren, während die Schuldenlast der Steuerzahler "nur" um 458 Mrd. Euro gestiegen ist.
Ist es denn vor dem Hintergrund dieser Zahlen nicht geradezu perfide, dass die Regierung nun ausgerechnet das Geld von den sozial schwächsten holen will, anstatt bspw. über eine verfassungskonforme Vermögenssteuer?
Mit freundlichem Gruß
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
der Schuldenstand der öffentlichen Haushalte in Deutschland wird in diesem Jahr voraussichtlich eine Größenordnung von fast 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Schon jetzt sind 12 Prozent des Bundeshaushalts nur für Zinszahlungen gebunden und stehen damit nicht für andere, zukunftsgerichtete Zwecke zur Verfügung. Dieser Anteil wird noch weiter wachsen, allein durch die steigende Schuldenlast. Die Kreditfinanzierungsquote der Bundesausgaben liegt in diesem Jahr auf dem Rekordwert von 25 %, (2008: 4,1 %, 2009: 11,7 %), d. h. jeder vierte Euro, den wir in diesem Jahr ausgeben, ist kreditfinanziert! Das hält auf Dauer kein Haushalt aus! Die hohe Verschuldung ist der Tatsache geschuldet, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten - was die öffentlichen Haushalte anbelangt - deutlich über unsere Verhältnisse gelebt haben, weil wir immer mehr ausgegeben als eingenommen haben - leider auch in guten Zeiten. Damit nehmen wir uns schon jetzt viel finanzpolitischen Handlungsspielraum, und erst recht nehmen wir unseren Kindern und Enkeln den Gestaltungsspielraum für ihre eigene Zukunft. Eine Politik nach dem Motto: „Kinder haften für ihre Eltern“ wird es mit mir nicht geben!
Die Herausforderungen für die öffentlichen Haushalte und die sozialen Sicherungssysteme werden sich in Zukunft allein aufgrund der demographischen Entwicklung weiter verschärfen. Ein immer kleinerer Teil unserer Gesellschaft wird dann für die Bedienung der aufgehäuften Schulden aufkommen müssen. Deshalb müssen wir schon jetzt mit einer konsequenten Haushaltskonsolidierung den Grundstein für tragfähige öffentliche Finanzen und stabile soziale Sicherungssysteme legen. Durch das Sparpaket wird eine nachhaltige Unterstützung der sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft langfristig gesichert. Wir verringern Ausgaben, die sich als unwirksam herausgestellt haben und setzen die dadurch generierten Finanzen gezielter in bedürftige Bereiche.
In Bezug auf die von Ihnen geforderte Anhebung des Spitzensteuersatzes gilt bereits seit dem 1. Januar 2007 für Einkommen (ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.731 Euro) ein erhöhter Einkommensteuersatz von 45 %. Hinzu kommen so genannte Annexsteuern, also der Solidaritätszuschlag (5,5 %) und die Kirchensteuer (in Bayern und Baden-Württemberg 8 Prozent, in den übrigen Bundesländern 9 %). Die Steuerlast eines Spitzenverdieners beträgt somit schon über 50 %. Mitte der 1990er Jahre hatte allerdings das Bundesverfassungsgericht den so genannten steuerlichen Halbteilungsgrundsatz erlassen, wonach „die steuerliche Gesamtbelastung […] in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“ verbleiben muss. Lediglich bei einer Belastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer gilt diese aufgestellte Obergrenze nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michael Fuchs