Portrait von Michael Büker
Michael Büker
PIRATEN
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Michael Büker zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Michael G. •

Frage an Michael Büker von Michael G. bezüglich Kultur

Hallo,

Eine Frage zum Urheberrecht wurde ja bereits gestellt und beantwortet.
Allerdings lese ich aus der Antwort und auch den verlinkten Quellen vor allem heraus, dass man sich schwerpunktmäßig mit den populistischen Themen wie "Software", "Musik" oder "Filme" beschäftigt.
Das Urheberrecht schützt aber noch viel mehr Künstler, die schon heute kaum überleben können: Autoren, Journalisten und Fotografen z.B.
Anders als in der Musik spielen Verwertungsgesellschaften da nur eine untergeordnete Rolle.

Wenn ich mich in einer Facebook-Gruppe Beschimpfungen und Beledigungen gepaart mit völliger Fehlinformation und Ignoranz ausgesetzt sehe, weil ich darauf hinwies bei einem verwendeten Bild (das angeblich zum "Teilen" freigegeben, aber neu hochgeladen worden war) doch bitte auch den Urheber zu nennen, sehe ich zwar Reform- und Aufklärungsbedarf, aber auch eine falsche Entwicklung, die die Haltung der Piraten nur noch zu fördern scheint.

Wenn z.B. Fotos nämlich als "allen gehörend" angesehen werden fehlen Anerkennung für die Arbeit des Künstlers, die Bestimmungsmöglichkeit des Künstlers/Urhebers über die Verwendung seiner Arbeit und auch schlicht und einfach Möglichkeiten, seine finanzielle und damit weltliche Existenz zu sichern.
Im konkreten Beispiel wurde mir übrigens mitgeteilt der Künstler sei ja "selbst schuld" wenn er seine Bilder nicht mit Wasserzeichen versehe.

Urheberrecht, das heißt auch Schutz von Werken und damit Schutz von Künstlern und Kultur. Und wissen wir nicht, dass Künstler von je her (bis auf wenige Ausnahmen) zu den Ärmsten gehören? Haben wir diese Rechte nicht mehr, stehen wir noch mehr als jetzt schon alleine und ungeschützt da.

Wie stehen sie persönlich (denn SIE stehen hier zur Wahl, nicht die ganze basisdemokratische Partei) zu dieser Problematik?

Wie sollten Änderungen unter den genannten Gesichtspunkten IYHO aussehen?

Eine klare Antwort darauf ist für mich als Betroffenen eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für oder gegen Sie.

Portrait von Michael Büker
Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Gelfert,

tatsächlich haben wir uns vornehmlich der Themen Musik, Film und Software angenommen, weil hier die Verwertungsindustrie den Nutzern am übelsten mitspielt und das Urheberrecht aus der Steinzeit den größten Schaden am Internet anrichtet. Trotzdem sind uns andere Bereiche des Urheberrechts nicht egal, und wir wollen uns gern damit beschäftigen, wie die Modernisierung des Urheberrechts dort funktioniert.

Neulich wurde ich am Infostand von jemandem angesprochen, der Übersetzungen für Filmuntertitel macht, und nun unterhalten wir uns auf dieser Plattform über Bildrechte. Ich glaube, in unseren Bestrebungen steckt mehr Zukunft als in der fortschrittsfeindlichen Blockadehaltung der Volksparteien, die mit Leistungsschutzrecht und anderen Absurditäten die Marktsituation der 70er- Jahre zemetieren wollen - unter Inkaufnahme der Kriminalisierung weiter Teile der Bevölkerung und einer Rechtslage, die Innovation unmöglich macht, und für die Deutschland zurecht international ausgelacht wird.

Zur Sache: Zunächst heißen wir nicht automatisch alles gut, was auf Facebook passiert. Wenn Leute keine Ahnung von Bildrechten und -lizenzen haben, dann ist das bedauerlich und sollte, neben vielen anderen Baustellen, endlich durch die Vermittlung von Medienkompetenz in Schulen geradegerückt werden. Auch Verlage, Onlineshops etc. könnten durch transparente Vertragsbedingungen und den Verzicht auf technische Repressalien viel dafür tun, dass Nutzer ihre Rechte und Pflichten besser kennen. Die weit verbreitete Unwissenheit rührt nicht zuletzt daher, dass Nutzer wie unmündige wandelnde Geldbörsen behandelt werden, die nach Vorgabe zu konsumieren und keine Fragen zu stellen haben. Hier berühren sich die Bereiche Musik, Film, Software und Bild: Wer seine Rechte auf der einen Seite nicht kennt, wird auch seine Pflichten auf der anderen Seite nicht kennen.

Meiner Erfahrung nach kennen sich Piraten übrigens besser mit Bildrechten und -lizenzen aus als der Durchschnitt: Wir verwenden gern CC-Lizenzen und kennen die Unterschiede zu herkömmlichen Nutzungsrechten gut. Der Landesverband Hamburg der Piratenpartei hat für seine Homepage und Plakate außerdem Bilder regulär bei einer Agentur gekauft, von der die Urheber beteiligt werden. (Ich höre schon den Einwand, dass Agenturen Künstler eher schlecht beteiligen: Stimmt. Ähnlich wie bei der GEMA wollen wir eben auch die Künstler gegenüber der Verwertungsindustrie stärken.)

Die von uns geforderten Änderungen würden natürlich auch Bildrechte betreffen. Unseren Forderungen liegt die Einsicht zugrunde, dass das freie Vervielfältigen von Daten in der Natur der neuen Medien liegt und sicht nicht kontrollieren oder einschränken lässt. Alle Versuche, dies zu tun, etwa durch DRM, die Überwachung von Internetverkehr, die Zensur von Inhalten oder horrende Abmahnungen durch die Verwertungsindustrie, sind gescheitert oder haben weit mehr gesellschaftlichen Schaden angerichtet als Nutzen gebracht.

Dementsprechend soll das Kopieren für die private(!) Nutzung straffrei sein. Eine unerlaubte kommerzielle(!) Verwendung eigener Werke sollen Künstler natürlich nicht hinnehmen müssen.

Sind allerdings die Preise und die Bedingungen für einen Erwerb von Rechten durch technische Fallstricke oder das arrogante Auftreten der Verwerter für die Nutzer unattraktiv, dann wird der Markt natürlich schrumpfen. Hier zeigt sich vor allem in der Videospiele- und Musikbranche bereits, dass Künstler sich von der Verwertungsindustrie emanzipieren und großen Erfolg damit haben, näher am Nutzer zu agieren. Auch zeigt sich im Erfolg solcher Unternehmungen, dass der Verzicht auf Kopierschutzmaßnahmen und Repression gegen die Nutzer keinesfalls den Ruin der Künstler bedeutet. Vielmehr reagieren vor allem junge Leute erfreut und durch verstärkten Konsum darauf, als Nutzer endlich ernst genommen zu werden.

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen: Die Konfliktlinien verlaufen nicht zwischen den Piraten und den Musikern, Fotografen, und Autoren. Sie verlaufen zwischen der Politik, die Verlagen, Plattenlabels und GEMA die Pfründe sichert, und den Urhebern und Nutzern, denen es um die Kunst geht.

Und auch wenn Sie mich diesmal nicht wählen wollen, würde ich mich freuen, wenn Sie als Kunstschaffender weiter die Diskussion mit den Piraten suchen würden.

Viele Grüße auf die Elbinsel,
Michael Büker