Warum kritisieren Sie bei der EU-Taxonomie neben der Atomkraft auch das Erdgas, obwohl Gaskraftwerke zum Gelingen der Energiewende enorm wichtig wären, bevor Stromspeichertechniken erfunden wurden?
Sehr geehrter Herr Bloss,
Um das Greenwashing der Atomkraft zu verhindern, obwohl noch keine ausreichenden Speicher für Solarstrom und Windkraft existieren: Woher soll in dunklen Morgenstunden, wenn Solar- und Windparks still stehen, die kurzzeitig benötigte Strom-Spitzenleistung geliefert werden, wenn nicht von Gaskraftwerken (oder Atom)?
Ist nicht gerade dies eines der wichtigsten Argument gegen Atomkraftwerke, dass diese durchlaufen und daher das Netz verstopfen, Solar und Windkraft zum brach liegen zwingen? Wenn also die flexibel zuschaltbaren Gaskraftwerke zum Gelingen der Energiewende als Übergangslösung essenziell sind, und die EU-Taxonomie das Erdgas ja schon zeitlich begrenzt hat,
können Sie sich dafür einsetzen, Campagnen gegen die Taxonomie auf das Atom-Thema zu beschränken?
Hätte eine Klage nicht mehr Gewinnchancen wenn sie physikalisch haltbar argumentiert?
Können Sie Mitstreitern helfen, nicht nur die CO2 /kWh, sondern auch das Entropie-Problem zu beachten?
Sehr geehrter Herr R,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die Taxonomie sollte ein glaubwürdiges Öko-Siegel der EU für die Finanzbranche werden um Anleger*innen und Unternehmen einen sicheren Rahmen für klimafreundliche Investitionen zu bieten.
Atomkraft, aber auch Erdgas mit Sonnen- und Windkraft gleichzusetzen, verkauft die Bürger*innen Europas für dumm. Methan ist 25mal so klimaschädlich wie CO2 und tritt bei der Gewinnung und dem Transport von Erdgas aus. Selbst wenn Gaskraftwerke also als notwendige Brückentechnologien angesehen werden sollte, so ist die Klimabilanz von fossilem Erdgas doch nach wie vor in keinster Weise mit der von Erneuerbaren vergleichbar. Konsequenterweise darf ein überzeugendes Öko-Siegel deshalb keine Anlagen fossiler Energieträger umfassen.
Eine weitere zentrale Rolle spielt Europas Energiesicherheit, wie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit größter Deutlichkeit zeigt. Durch Investitionen in den Import von ausländischem Erdgas würde die EU ihrer dringend notwendigen Energieunabhängigkeit damit kein bisschen näher rücken. Im Gegenteil: Das Geld fehlt bei den Erneuerbaren, die uns günstige Strom- und Heizkosten garantieren und uns unabhängig von Putin und anderen Autokraten machen.
Freundliche Grüße,
Michael Bloss