Frage an Mechthild Dyckmans von Guido F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dyckmans,
in Ihrer
Antwort an H. B. . schreiben Sie:
"Die deutsche Sucht- und Drogenpolitik kann meines Erachtens nicht allgemein als Verbotspolitik bezeichnet werden. Es geht vorrangig um Prävention und Hilfe zum Ausstieg."
Aus einem Kurzbericht des Bundesministerium für Gesundheit zu den "öffentlichen Ausgaben für illegale Drogen in Deutschland" geht hervor, dass jährlich etwa 4 Mrd. Euro für Repressions und Intervention aufgewendet werden, aber nur in "geringerem Maße" in Prävention investiert wird (vgl. http://tinyurl.com/KostenBtm ).
Wie hoch sind die Ausgaben für Präventionsmaßnahmen, und welche Bedeutung haben diese im Vergleich zu den Repressionskosten?
H. N.
antworten Sie:
"In keinem Land der Welt besteht ein generelles Verbot von Tabak. Trotz der mit dem Rauchen verbundenen erheblichen gesundheitlichen Gefahren würde dies das Selbstbestimmungsrecht erwachsener Bürger in äußerst bedenklicher Weise einschränken."
Ähnliche Worte fand Ihre Vorgängerin mehrfach in Bezug auf Alkohol. Auch Sie werden wohl auf gleiche Weise ein Alkoholverbot ablehnen.
Warum aber bewerten Sie das Verbot von Cannabis nicht als bedenkliche Einschränkung der Selbstbestimmung erwachsener Bürger?
Selbst wenn Sie Hanf nicht für harmlos halten, ist die Verfolgung von Cannabisnutzern, mit Blick auf die Risiken der Substanzen, nicht zu rechtfertigen. Tabak und Alkohol sind schließlich deutlich gefährlicher (vgl. http://tinyurl.com/2tysmz & http://tinyurl.com/HarmOfDrugs ).
Laut "EMCDDA" ist in den meisten Altersgruppen und Prävalenzzeiträumen der Cannabiskonsum in Deutschland ähnlich weit oder sogar weiter verbreitet als in den Niederlanden (vgl. http://tinyurl.com/emcdda09 ).
Das Hanfverbot ist also offensichtlich nicht geeignet, obwohl es für weit mehr als 100.000 Strafanzeigen jährlich sorgt (vgl. http://tinyurl.com/yc64eol ), die Konsumverbreitung zu mindern.
Welche positive Wirkung entfaltet das Verbot?
Freundliche Grüße
Guido Friedewald
Sehr geehrter Herr Friedewald,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich habe mich in diesem Forum bereits mehrmals zur sogenannten Legalisierungsdebatte von Cannabis geäußert. Auf die in Ihrer Anfrage genannten Aspekte bin ich bereits eingegangen. Gern wiederhole und ergänze ich meine Ausführungen:
Ich halte das Verbot von Cannabis nicht, wie Sie es formulieren, für eine bedenkliche Einschränkung der Selbstbestimmung erwachsener Bürger. Der Konsum von illegalen Drogen, darunter auch Cannabis, birgt gesundheitliche Gefahren für den Einzelnen. Zum Thema Cannabis kommen neuere Studien zu dem Ergebnis, dass nichtmedizinischer Cannabiskonsum akute und langfristige Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, die bei chronischem Dauerkonsum mit größeren Risiken verbunden sind. So berichten ambulante Drogenberatungsstellen von immer mehr Klienten (inzwischen fast ein Drittel), die primär wegen Cannabisproblemen in die Behandlung kommen. Bei Personen, die erstmalig in suchtspezifischer Behandlung waren, stand Cannabis als Substanz mit 59 % aller Klienten deutlich an erster Stelle. Gern können Sie dies im Reitoxbericht für Deutschland 2009 nachlesen: http://www.bmg.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Internationales/Reitoxbericht_202009,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Reitoxbericht%202009.pdf
Diese Entwicklung ist auch europaweit zu beobachten. Einen aktuellen Übersichtsartikel über die Cannabissituation in Europa finden Sie im Jahresbericht 2008 der Europäischen Drogenbeobachtungstelle für Drogen und Drogensucht: http://www.bmg.bund.de/cln_151/nn_1195938/SharedDocs/Downloads/DE/Drogen-Sucht/Internationale_20Drogenpolitik/Jahresbericht_20EBDD_202008,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Jahresbericht%20EBDD%202008.pdf
International hat sich die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie 166 weitere Staaten durch die Ratifizierung des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 verpflichtet, die Verwendung von Suchtstoffen auf ausschließlich medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu beschränken. Daneben verlangt Artikel 3 Abs. 2 des VN-Suchtstoffübereinkommens von 1988 von allen Vertragsparteien, "vorbehaltlich ihrer Verfassungsgrundsätze und der Grundzüge ihrer Rechtsordnung ... den Besitz, den Kauf oder den Anbau von Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen für den persönlichen Verbrauch ... als Straftat zu umschreiben".
Zu dem von Ihnen herangezogenen Vergleich von Cannabis und Alkohol stimme ich Ihnen zu, dass auch missbräuchlicher Alkoholkonsum gesundheitsschädigend ist. Dieser Fakt kann aber nicht dazu führen, dass diesen Risiken weitere gesundheitliche Risiken durch die Legalisierung von Cannabis hinzugefügt werden.
Diese Fakten sprechen u.a. dafür, dass die Regierung in der Legalisierungsfrage auch unter liberalen Gesichtspunkten keine neue drogenpolitische Ausrichtung verfolgt.
Zu Ihrer Anmerkung hinsichtlich der öffentlichen Ausgaben für Prävention im Vergleich zu den Ausgaben für Repression verweise ich Sie auf den bereits genannten Reitoxbericht 2009. In Kapitel 1.4.2 Öffentliche Ausgaben und Budgets finden Sie foldenden Passus; "Auf Ebene der Gebietskörperschaften konnte ein Betrag zwischen 3,6 und 4,5 Mrd. Euro ermittelt werden, der für die Prävention und Minderung der Folgen des Drogenproblems in Form von Präventions-, Interventions- und Repressionsmaßnahmen ausgegeben wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Dyckmans