Frage an Matthias Seestern-Pauly von Felix M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Seestern-Pauly!
Deutschland hat als eines der wenigen Länder in der EU und der Welt, das nicht die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) ratifiziert bzw. umgesetzt hat. Bis heute sitzen viele Politker in parlamentarischen Ausschüssen und werden gleichzeitig von Lobbyorganisationen, die im selben Themengebiet verkehren bezahlt, und das in intransparenten Höhen, die nur grob beschrieben werden (auch wenn mitlerweile im Verzug mit der Steinbrück Affäre 10 statt 3 Gehaltsstufen unterschieden werden). Des Weiteren verhandeln viele Mitglieder des Bundestages noch während ihrer Amtszeit mit späteren Arbeitgebern über ihre zukünftigen Gehälter. Ein Interessenskonflikt wird so nicht nur offensichtlich, sondern für die deutsche Demokratie gefährlich.
Gleichzeitig stuft Lobbycontrol die aktuelle Regierung als extrem von Lobbyismus beeinflusst ein und in der aktuellen Legislaturperiode wurde trotz des erheblichen Nachholbedarfs der Republik in Sachen Abgeordnetenbestechung ein Gesetz zur Regulierung dieser ganze acht mal abgelehnt.
Wie stehen Sie zu diesem Thema? Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen auch wenn dies evtl. nicht Ihr Fachgebiet ist.
Mit freundlichen Grüßen
Felix
Sehr geehrter Herr Meyer,
in der vorliegenden Sachfrage muss man zwei Aspekte unbedingt voneinander trennen: zum einen die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption, bei der es vor allem um strafrechtliche Fragen geht, und zum anderen die Diskussion um mehr Transparenz bei der Angabe von Nebenverdiensten von Abgeordneten.
Nebenverdienste, wie zum Beispiel Honorare für Beratungsleistungen, Reden und dergleichen, sind als solche rechtlich nicht zu beanstanden, da hier durch den jeweiligen Abgeordneten eine Leistung erbracht wurde. Darüber können sich Nebenverdienste aus der beruflichen Tätigkeit eines Abgeordneten ergeben, die während der Mandatsausübung nicht völlig ruht. Da der Deutsche Bundestag möglichst einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden soll, muss man einen wichtigen Aspekt bedenken: Zu unserem Land und unserer Gesellschaft zählen zweifelsohne viele Selbständige, wie Handwerker, Juristen, Journalisten oder Ärzte. Diesen Menschen bleibt, wenn sie ein parlamentarisches Mandat annehmen, nichts anderes übrig, als ihre selbständige Tätigkeit deutlich einzuschränken. Die Wähler dürfen auch erwarten, dass sich ein Abgeordneter seiner Aufgabe mit voller Hingabe widmet. Von einem Abgeordneten aber zu verlangen, dass dieser die bis zur Wahl ausgeübte selbständige Tätigkeit völlig aufgibt, geht an der Realität vorbei, da Selbständige - im Gegensatz zu Beschäftigen des öffentlichen Dienstes - keine Rückkehrgarantie in ihren alten Beruf bzw. auf ihre alte Stelle haben. Am Ende würde ein striktes Verbot von Nebenverdiensten dazu führen, dass der Großteil von selbständig tätigen Menschen in Deutschland das Wagnis, sich in ein Parlament wählen zu lassen, einfach nicht mehr eingehen könnte. Damit würde dem Deutschen Bundestag ein großes Reservoir an praktischer Erfahrung und Know-How abhanden kommen, was ich nicht gutheiße.
Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zur UN-Konvention gegen Korruption: Es wird in Teilen der Medien und von der Opposition der Eindruck erweckt, als wäre Abgeordnetenbestechung in Deutschland erlaubt. Das ist falsch. Die Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten steht bereits seit 1994 unter Strafe. Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass Deutschland in dem von Transparency International 2009 herausgegebenen Index im Bereich „Staaten, deren Politik am wenigsten von Korruption betroffenen sind“ auf Platz sechs lag. Von den 174 Staaten, die hinter der Bundesrepublik Deutschland eingestuft wurden, hatten im übrigen etliche die UN-Konvention ratifiziert.
Damit sind zwar immer noch fünf Länder vor uns, aber die Platzierung zeigt allemal, dass die bestehenden Regelungen eine hohe Wirksamkeit gegen die Bestechung von Abgeordneten gewährleisten. Dabei sind es nicht nur die Regeln und Gesetze, sondern eben auch deren Kontrolle, die dazu beitragen. Das wache Auge von Öffentlichkeit und Medien ist unerlässlich für die Abwehr von Bestechlichkeit. Ich zweifele deswegen nicht an der Wirksamkeit der bestehenden Regeln und deren Kontrolle, versperre mich aber natürlich nicht klugen Vorschlägen, die dem Anspruch von Klarheit und Prüfbarkeit noch besser gerecht werden würden.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Seestern-Pauly