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Matthias Seestern-Pauly
FDP
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Frage von Dr. Alexander P. •

Frage an Matthias Seestern-Pauly von Dr. Alexander P. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Seestern-Pauly,

eine Frage hätte ich doch noch und zwar habe ich gerade einen Artikel auf Spiegel-Online über die "Steueroase Deutschland" gelesen. Dort wird behauptet,

"Finanzminister Steinbrück kämpft wegen der Krise mit wachsenden Staatsdefiziten. Und Konzerne wie Superreiche zahlen weiterhin zu wenig Steuern, oft völlig legal, denn die Schlupflöcher sind riesig."

Das Problem, diese Schlupflöcher zu schließen, läge allerdings zumindest teilweise darin, dass die internationale Kooperation innerhalb der EU nicht gegeben sei.

Wie sehen Sie dieses Problem? Und welche Maßnahmen würden Sie für angemessen halten? Zu guter Letzt würde mich auch interessieren, ob und was Sie zur Vereinfachung der Steuergesetzgebung unternehmen würden?

Mit herzlichem Dank im Voraus,

Ihr Alexander Piecha

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Piecha,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworte.

Für uns Liberale ist völlig klar, dass ein Steuersystem immer aus einem Guss sein muss - Schlupflöcher können das beste Konzept sinnlos machen.
Daher haben wir es bereits zur Koalitionsbedingung gemacht, beide von Ihnen genannte Probleme in einem Schritt zu lösen - die Vereinfachung des Steuersystems und das Schließen der Schlupflöcher. Die großen bestehende Ungerechtigkeiten im deutschen Steuersystem sind die "kalte Progression" (also das Phänomen, dass die Realsteuerbelastung durch die Inflation steigt, ohne dass die Nominalsteuersätze erhöht werden) und der sog. "Mittelstandsbauch" (sprich die Tatsache, dass mittlere Einkommen im Deutschen System unverhältnismäßig stark besteuert werden). Unser Konzept löst beide Probleme und ist einfacher, niedriger und gerechter: Wir wollen einen dreistufigen Einkommenssteuertarif von 10, 25 und 35 %. Dabei wird das derzeit durch die Steuerklassen vorhandene Paradoxon, dass eine Bruttolohnerhöhung zu weniger Netto-Einkommen führen kann systematisch verhindert, da der höhere Tarif immer nur auf den Anteil am Einkommen zu zahlen ist, der auch tatsächlich über der Bemessungsgrenze liegt. Zugleich wollen wir Geringverdiener und Familien finanziell entlasten, indem wir den Grundfreibetrag auf € 8.004 erhöhen - für Erwachsene wie für Kinder. Um besonders armen Familien, die sogar unter dem Grundfreibetrag liegen, zu helfen, wollen wir für diese das Kindergeld auf € 200 erhöhen. Die kalte Progression wollen wir lösen, indem wir den Gesetzgeber dazu verpflichten werden, gemeinsam mit dem Existenzminimumsbericht auch den Steuertarif zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Gleichzeitig müssem Ausnahmeregelungen konseqeunt zusammengestrichen werden. Eine Ausnahmeregelung mag vom Ansatz her mit guten Beweggründen ins Gesetz aufgenommen worden sein (häufig geschieht auch dies aber leider überwiegend aus Lobbyinteressen), sie schadet aber per se der Einfachheit und Transparenz des Gesamtsystems. Denn nur reiche Steuerzahler und größere Unternehmen können sich die notwendigen Steuerberater leisten, um möglichst viele Ausnahmen "mitzunehmen" - in die Röhre schauen dabei Familien, Geringverdiener und der Mittelstand. Zwar ist es richtig, dass einige der Ausnahmeregelungen auf EU-Rechtssetzung beruhen - die Mehrzahl aber liegt im Deutschen System verwurzelt. Und nur weil etwas aus Europa stammt, heißt das ja nicht, dass man es nicht ändern kann: Unsere Fraktion im Europäischen Parlament mit Dr. Silvana Koch-Merin an der Spitze setzt sich auch auf europäischer Ebene gegen Lobbyinteressen und für ein für Jedermann verständliches und gerechtes Steuerrecht ein. Um dem illegalen Teil des Steuerflucht, der Steuerhinterziehung effektiv vorzubeugen, fordern wir zudem seit Jahren eine Aufstockung des Personals in den Steuerfahnungsabteilungen von Zoll und Finanzämtern. Dies würde sich durch die Mehreinnahmen schnell amortisieren.
Ich hoffe, Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben und stehe natürlich weiterhin für Fragen und Anregungen jederzeit zur Verfügung.

Mit den besten Grüßen

Ihr Matthias Seestern-Pauly

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