Matthias Reinke
DIE LINKE
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Frage von Horst M. •

Frage an Matthias Reinke von Horst M. bezüglich Bundestag

Guten Tag Herr Reinke,

mich würde die Einstellung Ihrer Partei zum Förderalismus in Deutschland interessieren. Ich habe die gleiche Frage (wegen bestehender bzw. angestrebter Regierungsverantwortung in etwas anderer Form ;) ) auch den Kollegen von der SPD und der CDU gestellt.

Nach meiner Überzeugung besteht das Hauptproblem der SPD in Berlin derzeit gar nicht so sehr darin, was sie inhaltlich wollen oder nicht wollen, sondern dass sie durch die Blockade der Unionsmehrheit im Bundesrat an vielen Stellen in Ihrer Handlungsfreiheit beschränkt sind.

Dabei mache ich dies der Union insofern nicht zum Vorwurf, als ich mir recht sicher bin, dass die SPD, wenn die Verhältnisse genau umgekehrt wären, auch nicht anders handeln würde. Und Sie ebenfalls nicht. Das ist es halt eben, was eine Opposition tut... ;)

Als Konsequenz hieraus ist mein derzeitiger Gedankengang also der, dass ich mir für die nächsten 4 Jahre anschauen möchte, wie die Union das Ruder herumreißt, die das Problem der Bundesratsblockaden ja dann (zumindest auf absehbare Zeit erst einmal) nicht hätte. Und das, obwohl ich bislang SPD-Wähler war und mir, wenn die Verhältnisse anders stünden, sogar eine Zweitstimme für Ihre Partei vorstellen könnte.

Damit wäre ich dann bei meiner eigentlichen Frage angelangt: Wie stehen Sie zur - ja leider erst kürzlich gescheiterten - Reform des Föderalismus in unserem Land?

Lassen Sie mich zwei Punkte exemplarisch konkretisieren:

Da wäre zum einen das o.g. Problem mit dem Bundesrat. Natürlich sollen die Länder ihre Vertretung haben, aber m.E. ist das derzeitige System hoffnungslos ineffizient. Viele wichtige Entscheidungen müssen durch den Bundesrat, und kommen in der derzeitigen Konstellation eben nicht durch. Von den immensen Kosten, die z.T. redundante Ämter und Ministerien auf Bundes- und Länderebene verschlingen, ganz zu schweigen.

Sind Sie nicht auch der Ansicht, dass es besser wäre, wenn die Koalition, die von den Wählern den Auftrag zur Regierungsbildung bekommt, dann bitteschön auch wirklich eine Legislaturperiode lang Zeit und vor allem die Möglichkeit haben sollte, ihr "Ding" so durchzuziehen, wie sie es für richtig hält, ohne bei jedem zweiten wichtigen Thema auf die Mitarbeit des politischen Gegners angewiesen zu sein? Und wie würden Sie mir meine o.g. derzeitige Denkweise (aus reinem Pragmatismus CDU wählen wegen der bestehenden Machtverhältnisse im Bundesrat) ausreden?

Und um gleich noch ein ganz konkretes Beispiel anzufügen, wo ich der Ansicht bin, dass der Länderförderalismus völlig fehl am Platz ist: Bildungspolitik. Wir haben derzeit die völlig bizzare Situation, dass in zwei von 16 Bundesländern eine abweichende Rechtschreibung gelehrt wird. Warum? Weil Bildung Ländersache ist. Mir ist durchaus klar, dass ich hier an heiligen Kühen herumwackle, und zwar heilige Kühe gerade für Sie als Lokalpolitiker. Und trotzdem: So etwas Grundlegendes wie Bildung gehört m.E. für einen Staat einheitlich reguliert - es kann doch nicht sein, dass an Schulen Unterschiedliches gelehrt wird, je nach dem, wo in Deutschland ich wohne.

Natürlich bin ich nicht für die Abschaffung der Länder (was ohnehin eine völlig utopische Idee wäre), allerdings fehlt mir - möglicherweise einfach aus meinem "Wohnverhalten" heraus - diese tiefe Verbundenheit mit ihren Regionen, die scheinbar viele unserer Landsleute haben. Ich habe mich z.B. noch nie selbst als "Württemberger" bezeichnet, obwohl ich hier geboren wurde. Ich bin halt entweder ein Stuttgarter, oder ein Deutscher. Aber ich fürchte, da stehe ich wohl relativ alleine da... :)

In Erwartung Ihrer Antworten verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen
Horst Meyer

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr H. Meyer,

Ihre Frage ist mehr als angebracht. Das Ergebnis der Vier-Mächte-Konferenz war nach dem Weltkrieg auch der Föderalismus. Damals bestand die Möglicheit ihn abzuschaffen.
Das wollte man aber nicht, weil er die Bundesmacht begrenzte. Hinzu kam der historisch gewachsene Deutsche Staat.
Also, die historisch bedingte heilige Kuh ist, wie jede Kuh, auf ihre Existenzberechtigung hin zu überprüfen. Konservativität als sich selbst berechtigende Aussage, hat bei mir keine Chance.
Wenn sich ein Rechtssystem als nicht mehr voll staatsfördernd erweist, ist es zunächst zur öffentlichen Diskussion zu stellen. Jeder weiss, dass die Landesfürsten ein öffentliches Durchleuchten Ihrer Stellung aus egoistischen Gründen nicht wollen. Dann muss eben der/die BügerIn Druck machen. (Die Zeiten, dass man mit einem Kreuz und Steuren für ein paar Jahre eine politische Dienstleistung mieten konnte, sind sicherlich vorbei.). Es gibt immer noch das wissensbasierte Denken, das für die Lösung entscheidet,
die am meisten Vorteile für alle bringt. Ich hänge nicht an Ideologien. Also werde ich Ihnen sicherlich nichts ausreden. Da die Linkspartei für mehr Demokratie auf allen Ebenen ist, sind wir natürlich gegen die Landesfürsterei und gegen alte Zöpfe. Zumal die neuesten Machtentwicklungen im Bundesrat gezeigt haben, dass es immer mehr wenig
taugliche Kompromisse gibt. Die Linkspartei will mehr Demokratie um diese staatswohlbehindernden Rechtsmöglichkeiten der Bundesländer zumindest zu beschränken. Es gibt doch gar kein anzuerkennnendes Argument gegen den Gedanken, dass all das auf Bundesebene im Bundestag zu entscheiden ist, was die meisten Menschen in den Bundesländern betrifft.
Und wenn man genau hinsieht wird man feststellen, dass alle Abgeordneten aus den Bundesländern kommen. Wozu dann noch den Bundesrat in der jetzigen Rechtsposition? (Ist historisch bedingt, siehe oben).

Also bin ich für eine Inhaltsbestimmung bei der Bildung durch den Bundestag. Im übrigen bin ich für das solidarische Lernmodell, dass ein Zusatzmodul für Hochbegabte vorsieht.
Solidarität darf natürlich nicht zur Bremse für Hochbegabte führen. Die Finnen haben das solidarische Modell in der Ex-DDR und dem damaligen Ostblock studiert. Ob sie das
Zusatzmodul auch haben, weiss ich nicht. Beim Thema Bildung fällt mir ein, dass es in der BRD nicht eine regelmäßige Sendung in öffentlichen Programmen gibt, die über blosse Spartipps hinausgeht und wirtschaftliche Zusammenhänge erklärt. So kennen die meisten Deutschen nicht den Zusammenhang von Angebot und Nachfrage. Wenn Sie da
weiterdenken bei den derzeitigen wirtschaftlichen Behauptungen die im Umlauf sind, dann wissen sie, warum so viele WählerInnen unentschlossen sind.

Abschließend möchte ich das sagen, was die Lokalpresse, trotz Wiederholungen, bisher nicht klargestellt hat. Ich bin ein Bürger in der Basispolitik, der zur Selbsthilfe mit
anderen gegriffen hat, weil ...siehe Wahlmanifest der Linken: sozialisten.de

Es grüßt Sie
M. Reinke