Frage an Matthias Miersch von Adelheid P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Ich bin Rentnerin, besitze ein kleines Sparvermögen und eine KLV. Die Zinserträge und die KLV sollten zur Sicherung meines Lebensstandards im Rentenalter beitragen. (Meine Sozial- Rente - trotz 45 Berufsjahren - entspricht in etwa der eines MdB nach 7 Jahren Bundestagszugehörigkeit.)
Die Finanzkrise hat diese Pläne zunichte gemacht. Seit 10 Jahren gibt es keine Zinsen mehr, meine KLV verliert ebenfalls an Wert. Leider ist mein Vermögen zu gering, um mit Aktien zu spekulieren, dann würde ich zu den Gewinnern zählen. Vielen Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft wird es ebenso ergehen wie mir. Aber augenscheinlich haben wir keine Lobby, um politisch durchzudringen. Mir ist jedenfalls von den mehr als 700 MdB
niemand bekannt, der sich mit dieser Problematik je beschäftigt hätte. Nun haben wir Corona. Der Staat unterstützt zurecht die meisten unverschuldet in Not Geratenen. U.a. können Unternehmen ihren diesjährigen Verlust mit Gewinnen vergangener Jahre kompensieren.
Habe ich nicht auch unverschuldet einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten, um das Finanzsystem zu retten / stabilisieren? Warum kann mir das FA wegen entgangener Zinsgewinne, die nicht ich zu vertreten habe, einen einmaligen Pauschalbetrag meiner Steuerschuld erlassen ? Wenn man wollte, könnte das das FA sicherlich schlank regeln. Bei der Auszahlung der Corona- Kinderboni hat es ja auch funktioniert.
Leider hat sich für diese Belange bisher keiner der mehr als 700 Bundestagsabgeordneter eingesetzt. Das empfinde ich als große Ungerechtigkeit. Mein Vertrauen in die SPD wäre massiv gestört, wenn die SPD sich nicht spätestens jetzt dieses Themas annähme.
Sehr geehrte Frau P.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, welche ich nachfolgend gerne beantworten werde.
Sie sprechen sowohl Ihre Rentenhöhe an, wie auch den schwindenden Zinssatz Ihrer Lebensversicherung. Deshalb möchte ich zu Beginn betonen, dass für die SPD die Alterssicherung im Zentrum der Sozialpolitik steht. Wir haben in den letzten Jahren deshalb stets die gesetzliche Rente im Fokus gehabt und z. B. für den 2019 in Kraft getretenen Rentenpakt gesorgt. Mit seiner „Doppelten Haltelinie“ garantiert dieser ein gesetzliche Beitragssatz von maximal 20 % sowie bis 2025 ein Rentenniveau von 48 %. Des Weiteren wurden durch die intensive Verhandlungsführung der SPD Betriebsrenten gestärkt und auch die Grundrente konnte gegen den heftigen Widerstand der Unionsparteien beschlossen werden. Darüber hinaus beschäftigt sich im SPD-Parteivorstand gerade eine Kommission damit, ein neues Rentenkonzept zu entwickeln, welches den Lebensstandard auch in der Zukunft sicherstellen soll. In den letzten fünf Jahren stieg die Rente übrigens immer um mindestens 1,9 Prozent, meist sogar um mehr als 3 Prozent.
Sehr geehrte Frau P. nun zu der Zinsfrage: Diese hängt natürlich maßgeblich mit der Entwicklung der Weltwirtschaft in den letzten Jahren zusammen. Die von Ihnen angesprochene Weltwirtschaftskrise hatte historische Ausmaße, deren Folgen wir in der Tat leider noch heute spüren. Bei einer kapitalgedeckten Lebensversicherung handelt es sich jedoch letztlich um eine private Geldanlage. Solche sind immer mit einem Risiko verbunden. Das genau ist ein zentraler Unterschied zu einer gesetzlichen Rente, wenngleich auch hier Risiken bestehen, wie die Diskussion über die Doppelte Haltelinie zeigt, weshalb die SPD gerade hier für die Stärkung der Rentnerinnen und Rentner eingetreten ist. Die Corona-Hilfen hängen mit den staatlichen Maßnahmen zusammen, die mit der Schließung von Einrichtungen etc. verbunden sind. Insofern kann der Vergleich zu entgangenen Zinsgewinnen nicht gezogen werden, da diese auf privatwirtschaftlichen Entwicklungen basieren. Unabhängig davon ist natürlich die Frage zu stellen, wie ein Zinsgewinn bemessen werden könnte, weil es ja eben keinen staatlichen Anspruch oder eine Garantie gibt.
Sehr geehrte Frau P., mir ist bewusst, dass Sie meine Ausführung sicher nicht vollständig zufrieden stellen. Ich setze mich als SPD-Bundestagsabgeordneter deshalb seit Jahren für eine absolute Stärkung der gesetzlichen Rente ein, da ich hier die wesentliche Säule der Altersversorgung sehe, um gerade nicht "Schwankungen des Marktes" ausgesetzt zu sein. Deshalb plädiere ich z. B. auch für eine gesetzliche Rente, in die alle einzahlen – auch Beamte, Selbstständige sowie Abgeordnete. Allerdings findet sich für diese Lösung aktuell keine Mehrheit im Deutschen Bundestag.
Bleiben Sie gesund und freundliche Grüße
Matthias Miersch
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