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Matthias Miersch
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Frage von Isabel K. •

Frage an Matthias Miersch von Isabel K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Miersch,

ich berufe mich auf die freiheitlich demokratische Grundordnung. Ich schreibe in meinem Namen und in dem meiner Liebsten. Als unser Vertreter fordern wir Sie auf, alle Stimmen zum neu geplanten InfSchG gewissenhaft zu hören und nach Motivation, Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit zu hinterfragen. Wir können es uns nicht erklären, dass der Entwurf für das 3. Infektionsschutzgesetz (Entwurf vom 29. Oktober 2020 / Drucksache 645/20 und der darauffolgende Gesetzentwurf vom 03.11.2020 / Drucksache 19/23944) nun zur Lesung eingereicht wird und dann über diesen Entwurf im Eilverfahren beraten und abgestimmt werden soll. Die Stimmen der warnenden Verfassungsrechtler beunruhigen uns zutiefst, und wir sehen nun die große Gefahr, dass die Legislative nicht dazu bemüht wird, „im Namen des Volkes“ zu entscheiden und das Vorgehen im Falle einer Epidemischen Lage von nationaler Tragweite auf rechtsstaatlichen Boden zurück zu führen, sondern, ganz im Gegenteil sogar Gefahr läuft, unverhältnismäßige und eher angst- und reaktionsgetriebene Maßnahmen zu legalisieren. Wir haben durch den Corona Ausschuss, siehe Internet, viele erklärende Informationen erhalten, welche genau diese dramatische Entwicklung in der Gesetzsprechung aufgreift. Nun frage ich mich, wo bleibt die öffentliche und unvoreingenommene wissenschaftliche Diskussion? Warum versucht man ein Gesetz und damit die Corona-Massnahmen so schnell in Stein zu meißeln? Wem soll dieser Schnellschuss nützen? So ein Gesetz sollte einer eingehenden Untersuchung der echten gesundheitlichen Lage, der Kollateralschäden, der menschlichen Psyche unter diesen Corona-Verordnungen und auch des PCR-Test vorausgehen. Wurden diese Themen ausreichend gewürdigt? Wie werden diese einschneidenden Massnahmen gerechtfertigt? Welche Zahlen werden dafür herangezogen? Sind die Gesetze verhältnismäßig?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.

Eine besorgte Bürgerin

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Kubiak,

haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben. Mich hat zur Novelle des Infektionsschutzgesetzes in den letzten Tagen alleine aus meinem Wahlkreis eine große Anzahl an Nachrichten erreicht. Diese zeigt das große Interesse und zugleich aber auch sehr unterschiedliche Sichtweisen auf die derzeitige Lage.

Die Corona-Pandemie stellt eine Krisensituation dar, wie es sie in der bundesdeutschen Geschichte noch nicht gegeben hat. Es fehlt daher an Blaupausen, wodurch es in der aktuellen Lage besonders schwierig ist, den unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen Rechnung zu tragen. Mich erreichen Bitten von Bürgerinnen und Bürgern, viel intensivere Maßnahmen auf den Weg zu bringen und auf der anderen Seite genau gegenteilige Bitten. Ich möchte betonen, dass ich meine Rolle als Abgeordneter des Deutschen Bundestages auch in dieser Zeit als äußerst entscheidend empfinde. Mir reicht es nicht, von „einer Zeit der Exekutiven“ zu sprechen. Sie können einerseits sicher sein, dass ich in den letzten Monaten an zahlreichen Gesetzen mit voller Kraft mitgearbeitet habe. Anderseits habe ich die Corona-Diskussionen, die wir in der Fraktion mit unseren Regierungsmitgliedern geführt haben, intensiv begleitet und selbstverständlich auch auf Inhalte von Verordnungen oder Förderprogrammen Einfluss genommen. So wurden bisher und 27 Gesetze mit Corona-Bezug beschlossen rund mehr als 70 Plenarbefassungen durchgeführt.

Als Jurist sind für mich die Grundrechte und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zentral. Meine Dissertation habe ich über die Rolle der unterschiedlichen Gewalten verfasst. Die Demokratie zeichnet sich durch das Zusammenspiel dieser Gewalten aus. Es wird nicht „die eine“ Lösung geben. Die Wirkung von Maßnahmen wird regelmäßig überprüft werden müssen. Die bereits ergangenen Gerichtsentscheidungen zeigen, dass unser Rechtsstaat funktioniert. Heute schafft der Deutsche Bundestag eine weitere Grundlage, für die ich in den letzten Monaten gestritten habe. Während in den ersten Monaten das Infektionsschutzgesetz aus Sicht vieler Expert*innen eine ausreichende Grundlage für das Handeln der Bundes- und Landesregierungen beinhaltete, schwindet die Legitimation zum Erlass von Rechtsverordnungen mit zunehmendem Zeitablauf. Wir haben insoweit mehrere Fachgespräche mit Verfassungsjuristen durchgeführt, die in einer Positionierung der SPD-Fraktion „Rechtssicher durch die Corona-Krise“ mündeten, die hier https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/fraktionsbeschluss_rechtssicher_corona-krise_20201103.pdf abrufbar ist.

Es hat lange gedauert, doch auch CDU/CSU haben sich in dieser Sache schließlich bewegt, sodass wir nunmehr über eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes abstimmen. Könnten die SPD oder ich alleine entscheiden, wären die Anpassungen teilweise sicherlich noch anders ausgefallen. In der Demokratie sind wir jedoch auf Kompromisse angewiesen. Dieses gilt für den Bundestag wie auch für den Bundesrat. Zentrale Bausteine der Novelle sind für mich

1. die Konkretisierung, unter welchen Voraussetzungen, welche Grundrechte wie lange und zu welchem Zweck im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eingeschränkt werden dürfen;

2. die Begründungspflicht für die einzelnen Maßnahmen, die wiederum die gerichtliche Überprüfung erleichtern werden;

3. die zeitliche Befristung der jeweiligen Maßnahmen und

4. die zeitliche Befristung der Befugnisse insgesamt angesichts der Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag bis zum 31.03.2021.

Ich bin der festen Überzeugung, dass somit insgesamt eine tragbare Lösung gefunden wurde. Aber ich betone es an dieser Stelle noch einmal: Für die aktuelle Krise gibt es keine Blaupause. Dabei zeichnet die Demokratie aus, dass über den richtigen Weg allerorten diskutiert werden kann. Allerdings muss ich als verantwortungsbewusster Politiker irgendwann Entscheidungen vertreten - auch, wenn ich noch keine 100-prozentige Wahrscheinlichkeit über Erfolg oder Nicht-Erfolg habe. Ziel der Entscheidungen ist es, das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, Arbeitsplätze so gut es geht zu sichern, Insolvenzen zu verhindern sowie Bildung und Betreuung weiter zu ermöglichen. Deshalb sind für mich das Kurzarbeitergeld, die Überbrückungshilfen und andere Unterstützungsmaßnahmen genauso entscheidend. Auch muss dringend die Perspektivdiskussion geführt werden, wie wir mit dem Virus angesichts höherer Testkapazitäten, Impfmöglichkeiten und verbesserter Behandlungsmethoden künftig leben können.

Widerspruch ist für unsere Demokratie notwendig und macht sie stark. Für inakzeptabel halte ich jedoch Aussagen und Schreiben, in welchen nun von einem „Ermächtigungsgesetz“ die Rede ist. Mit diesem haben die Nazis vor 87 Jahren eine Diktatur begründet, welche im Holocaust endete. Es war das dunkelste Kapitel unseres Landes. Die Sozialdemokratie hat damals gegen das Ermächtigungsgesetz und gegen diesen elementaren Verstoß gegen demokratische Grundsätze gestimmt. Viele Abgeordnete wurden von den Nationalsozialisten gejagt, gefoltert und ermordet. Wer das mit dem Infektionsschutzgesetz gleichsetzt, mit welchem gerade exekutive Befugnisse begrenzt werden, dem geht es aus meiner Sicht nicht um die ernsthafte demokratische Auseinandersetzung. Der Vergleich ist ein Hohn für alle Opfer des Nationalsozialismus!

Sehr geehrte Frau Kubiak,

ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Zeilen meine Sicht auf die derzeitige Diskussionen Zur Corona-Krise und zur Novelle des Infektionsschutzgesetzes näher bringen. Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass auch meine Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion unzählige Zuschriften zu diesem Thema erreicht haben. Die Sprecherin unserer Arbeitsgruppe für Gesundheit hat daher zusammen mit dem Sprecher unserer Arbeitsgruppe für Recht und Verbraucherschutz Antworten auf häufige Fragen und Vorwürfe der letzten Tage verfasst. Diese Antworten möchte ich Ihnen noch gerne mit auf den Weg geben: https://www.matthias-miersch.de/wp-content/uploads/sites/223/2020/11/2020-11-18_Fragen_und_Antworten_zum_Infektionsschutzgesetz.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Miersch

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