Frage an Matthias Miersch von Dirk J. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Miersch,
jetzt schreibe ich Ihnen bereits zum dritten Mal, das erste Mal zum Thema TTIP und die privilegierte Stellung der Konzerne, dann zum Thema Klimaschutz und auch hier nimmt die Wirtschaft und ganz besonders die Konzerne wieder eine privilegierte Stellung ein und verhindert ein wirklich effektives Klimaschutzgesetz.
Für Ihre jeweiligen Antworten bin ich Ihnen dankbar, die mir zeigen, dass es noch Politiker gibt, die die Belange der Bevölkerung ernst nehmen.
Heute schreibe ich Ihnen, weil immer mehr Organisationen, die sich Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben haben und über ihre große Reichweite in den sozialen Medien zum Sprachrohr der Zivilgesellschaft geworden sind, die Gemeinnützigkeit abgesprochen wird.
Es begann mit attack, dann folgte Campact und nun ist Changeorg das Ziel und ich frage mich warum. Können Sie mir erklären, warum die Zivilgesellschaft diese Organisationen nicht mehr steuervergünstigt unterstützen darf, während Unternehmen ihre Lobbyarbeit und damit die Beeinflussung von Politikern von der Steuer absetzen dürfen und damit gegenüber der Zivilgesellschaft begünstigt werden?
Mit meiner Frage verbinde ich meine Forderung an Sie, sich dafür einzusetzen, dass diesen Organisationen die Gemeinnützigkeit wieder anerkannt wird bzw. im Fall von Changeorg gar nicht erst aberkannt wird.
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit besten Grüßen vom Deister
D. J.
Sehr geehrter Herr Jürgens,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Gemeinnützigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen, welches ich nachfolgend gerne beantworten werde.
Es ist unbestritten, dass ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement eine sehr große Bedeutung für unsere Gesellschaft hat. Viele Organisationen leisten wichtige Beiträge für das Gemeinwohl und werden daher zurecht steuerlich begünstigt, sofern sie die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit gemäß § 52 AO erfüllen. Über die Gemeinnützigkeit einer Tätigkeit und ihren Beitrag für die Allgemeinheit kann es unterschiedliche Meinungen geben. In einigen Fällen führen die Entscheidungen der Finanzbehörden auch zu kontroversen Debatten, wie bei den von Ihnen genannten Beispielen Changeorg und Campact oder auch bei Attac.
In diesem Zusammenhang drehten sich die Debatten besonders um die Frage, inwieweit gemeinnützige Organisationen politisch aktiv werden können. Hier treten zuletzt verstärkt Unsicherheiten auf. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 10. Januar 2019 (V R 60/17) entschieden, dass Attac nicht gemeinnützig sei, da die Organisation politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung erreichen wolle, dies aber nicht unmittelbar der Verfolgung eines Zweckes gemäß § 52 AO diene.
Gemeinnützige Organisationen sollen sich politisch äußern dürfen, damit sie ihre gemeinnützigen Zwecke effektiv verfolgen können. Schwierigkeiten entstehen dann, wenn sich Organisationen wie Parteien verhalten, sich aber auf deren Restriktionen nicht einlassen wollen. Ich denke, es ist nicht sinnvoll, Organisationen, die wie Parteien agieren, anders als Parteien zu behandeln, im Gegenteil: wenn der einzige Unterschied zu Parteien der ist, dass in Wahlen nicht kandidiert wird, ist der Unterschied zur Partei zu gering. Die Abgrenzung schafft hier jedoch in einigen Fällen und für einige Organisationen Unsicherheit. Deshalb soll das Gemeinnützigkeitsrecht dahingehend reformiert werden, dass Organisationen Rechtssicherheit in Bezug auf ihre Gemeinnützigkeitsstatus haben. Derzeit arbeitet das Bundesfinanzministerium an einem dahingehenden Gesetzentwurf. Dieser sollte abgewartet werden und wird dann, sobald er vorliegt, als Diskussionsgrundlage dienen.
Abschließend möchte ich noch kurz auf Ihre Ausführungen eingehen, dass Unternehmen ihre Lobbyarbeit absetzen könnten und so gegenüber des Zivilgesellschafft begünstigt würden. Das ist so nicht richtig. Es stimmt natürlich, dass Unternehmen im vorgegebenen Rahmen Betriebskosten geltend machen können. Hierbei ist die Gemeinnützigkeit jedoch nicht der Maßstab und wird auch von den Unternehmen nicht bemüht, weswegen ein Vergleich hiermit auch nicht funktioniert. Nicht als Betriebskosten gelten beispielsweise Repräsentationstätigkeiten. Auch in dem Fall, dass ein politischer Akteur sich warum auch immer dazu entscheiden sollte, eine Einladung von einem Unternehmen zu einem Essen annehmen, dürfte das Unternehmen diese Kosten nicht absetzen.
Sehr geehrter Herr Jürgens , Ich hoffe, Ihnen mit meinen Zeilen die Hintergründe der Diskussionen näher gebracht zu haben und deutlich gemacht zu haben, dass die SPD-Bundestagfraktion daran arbeitet, die bestehenden Unsicherheiten für die Zukunft zu beseitigen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Miersch