Frage an Matthias Miersch von Volker S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Miersch,
das zwischen der EU und Kanada geplante Freihandelsabkommen Ceta soll in Kraft treten, ohne daß der Deutsche Bundestag darüber abstimmt.
Wie beurteilen Sie diesen Sachverhalt?
Wie könnte sich das auf die Bürgerverdrossenheit und das Anwachsen der Erfolge nationalkonservativer eurokritischer Politikangebote auswirken?
Mit freundlichen Grüßen
Volker H. Schendel – Ministerialrat a.D.
Isernhagen
Sehr geehrter Herr Schendel,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 1. April 2016.
Ich halte die Einbeziehung Nationaler Parlamente vor der Inkraftsetzung von CETA für absolut notwendig. Deshalb habe ich mich auch bereits am 4. April in der Süddeutschen Zeitung in Bezug auf Ihre angesprochene Meldung eindeutig positioniert ( http://www.sueddeutsche.de/politik/ceta-spd-streitet-ueber-freihandelsabkommen-1.2933683 ). Allerdings muss ich auch darauf hinweisen, dass derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof ein Verfahren läuft, indem die Frage der Einbeziehung von nationalen Parlamenten beziehungsweise die damit zusammenhängende Frage von Kompetenzen der Europäischen Kommission und betroffener Mitgliedstaaten geklärt werden sollen (gemischtes Abkommen – Ja oder Nein?).
Dennoch meine ich, dass wir augenblicklich ein tiefes Misstrauen gegenüber der Europäischen Union erleben, was vor allem auch die Freihandelsabkommen betrifft. Die vorhandene Intransparenz wird dieses Misstrauen nur weiter fördern.
Meiner Meinung nach ist die einzige Möglichkeit Vertrauen wieder aufzubauen bzw. zurückzugewinnen, eine breite transparente Debatte, die ich immer wieder einfordere. In diesem Zusammenhang habe ich vorgeschlagen, dass sowohl der Deutsche Bundestag als auch die beteiligten Fachausschüsse eine Anhörung analog zu der der Föderalismusreform I durchführen.
1000 Seiten CETA-Text, die im Juni in deutscher Übersetzung vorliegen sollen, werden aufgrund der zahlreichen Rechtsgebiete eine Vielzahl, wenn nicht beinahe jeden der Fachausschüsse des deutschen Bundestages betreffen.
Es gilt dann eine offene, transparente Debatte zu führen, bei der auch alle die von der Öffentlichkeit kritisch gesehenen Punkte diskutiert werden müssen. Dies gilt ebenso für die roten Linien, die die SPD auf ihrem Parteikonvent am 20. September 2014 und auf dem Bundesarteitag am 12. Dezember 2015 gezogen haben.
Eine nähere Beurteilung bzw. meine Erwartungen an den weiteren Prozess finden Sie, lieber Herr Schendel, in einem TAZ-Interview ( http://www.taz.de/!5295127/ ), welches ich am 25. April 2016 gegeben habe. In diesem problematisiere ich u.a., dass die Etablierung neuer Gerichtshöfe einen Fortschritt darstellt, jedoch die Rechtsgrundlagen beim Investorenschutz weiterhin Fragen aufwerfen.
Mit herzlichen Grüßen
Matthias Miersch