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Matthias Miersch
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Frage von Kai H. •

Frage an Matthias Miersch von Kai H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Miersch,

ich würde gerne Ihre Positon zur Rente mit 67 hören. Ich kann mir keine Firma vorstellen die ein gesteigertes Interesse daran hat dass Menschen solange arbeiten sollen. Ich bin Jahrgang 70 und somit einer der ersten die das Vergnügen haben so lange zu arbeiten. Mit 67 habe ich denn 51 Arbeitsjahre auf dem Buckel. Ich würde denn jedem empfehlen meine von mir betreuten Aufzugsanlagen eher nicht zu benutzen da ich der Meinung bin dass meine Arbeit in so einem Alter nicht ordnungsgemäß mehr durchzuführen ist, aufgrund des körperlichen Verfalls.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Harmsen,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema „Rente mit 67“. Wie so häufig, handelt es sich nach meiner Einschätzung um ein Thema, das sehr differenziert betrachtet werden muss. Deshalb möchte ich auf mehrere Punkte eingehen:

Der Grundsatzbeschluss bedeutet zunächst für mich einen Einstieg in die Ehrlichkeit der Rentenpolitik und eine Akzeptanz der Realitäten. Viel zu lange wurde den Menschen vorgegaukelt: „Die Rente ist sicher“. Parallel bediente man sich in unverantwortlicher Weise aus der Rentenkasse. Wenn wir uns die Altersentwicklung der Bevölkerung anschauen, gleichzeitig die stetige Verlängerung der Rentenbezugsdauer und die zu erwartende Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten 20 Jahren angesichts des demografischen Wandels betrachten, sieht man, dass es so nicht weitergehen kann. In vielen persönlichen Gesprächen habe ich den Eindruck gewinnen können, dass die Menschen die Situation schon viel realistischer einschätzen. Allerdings verlangen sie - ich meine völlig zu recht - eine Lösung, die ihre Biografien auch angemessen berücksichtigt. Ich stimme Ihnen zu, dass es sicherlich Berufsgruppen gibt, die nicht bis 67 arbeiten können. Hier müssen wir erreichen, dass ihnen ein früherer Renteneinstieg ermöglicht wird. Der Chef der IG Bau hat in dieser Woche Vorschläge gemacht, die ich sehr begrüße - z.B. Teilrenten, Verbesserung der Erwerbsminderung. Die von Ihnen angesprochenen Unternehmer werden sich bereits heute Gedanken machen müssen, wie sie Fachkräfte halten können. Wir sehen in bestimmten Branchen bereits jetzt, dass qualifiziertes Personal fehlt. Die Alterspyramide, die sich mehr oder weniger in den kommenden Jahrzehnten auf den Kopf stellen wird, wird dieses Problem verschärfen. Hier geht es auch um Prävention etc. Die Diskussion ist also erst am Anfang.

Häufig erfahre ich, dass die Kernpunkte der Regelung noch nicht vollständig bekannt sind, so dass ich sie noch einmal kurz skizzieren möchte:

Kern des Gesetzes ist die Erhöhung des Renteneinstiegsalters: Ab dem Jahr 2012 steigt das Eintrittsalter um einen Monat pro Jahr (2012 = 65 plus 1 Monat; 2013 = 65 plus 2 Monate…). Erst im Jahr 2029 wird dann das Eintrittsalter 67 Jahre betragen. Für heutige RentnerInnen ändert sich also gar nichts. Für Jahrgänge vor 1947 ebenfalls nicht. Erst die Geburtsjahrgänge ab 1964 werden von der Regelung voll betroffen sein.

Aber es gibt Ausnahmen für langjährig Versicherte, denn wer 45 Jahre Pflichtbeiträge nachweist aus
• Beschäftigung,
• selbstständiger Tätigkeit und
• Pflege sowie aus
• Zeiten der Kindererziehung bis zum 10. Lebensjahr

kann wie bisher mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen - auch nach 2012.

Gleichzeitig enthält das Gesetz eine sog. Revisionsklausel, wonach regelmäßig überprüft werden muss, inwieweit die Annahmen von heute hinsichtlich der Bevölkerungs- und Arbeitsmarktentwicklung tatsächlich in den nächsten 20 Jahren eintreten. Ich bin sicher, dass noch viele Regierungen und Bundestage die Einzelheiten weiter anpassen werden. Auch will ich betonen, dass ich in der Rentenversicherung das Schweizer Modell einer solidarischen Bürgerversicherung als gute Perspektive sehe. Allerdings gehört zur Ehrlichkeit, dass dieses Modell nicht sofort gelten kann, da bereits zahlreiche Altersgruppen Ansprüche erworben haben, die nicht abgeschnitten werden können. Anders als bei der Bürgerversicherung im Bereich der Krankenversicherung wird auch das Verhältnis Einzahlung/gewährte Rentenzahlung zu berücksichtigen sein.

Wichtig ist nach meiner Einschätzung das gegebene Signal, damit die Menschen sich rechtzeitig auf die Veränderungen einstellen können und - wenn möglich - auch auf Eigenvorsorge setzen, die z.B. mit der Riesterrente zum Glück auch Auftrieb bekommen hat. Ein weiteres Verschleiern der Realitäten, wäre eine unverantwortliche Politik - und zwar gerade auch für nachfolgende Generationen, denen man etwas versprechen würde, das sich - nach den derzeitigen Erkenntnissen - nicht realisieren ließe.

Wie Sie an meinen Ausführungen hoffentlich erkennen können, bin ich jedoch für die Fortsetzung der Diskussion über eine solidarische und zukunftsfeste Altersabsicherung.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Miersch

Dr. Matthias Miersch, MdB
Sprecher der Arbeitsgruppe Nachhaltige Entwicklung

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