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Matthias Miersch
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Frage von Jan K. •

Frage an Matthias Miersch von Jan K. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Miersch
Meine Frage bezieht sich auf die Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber.
In den USA hat man durch eine Untersuchung herausgefunden das die Rückstellungen für Anlagenstilllegungen und Rückbau durch Spekulationen im Wert deutlich gefallen sind.Ich empfehle den Telepolis Artikel -> http://www.heise.de/tp/blogs/2/140903.
Meine Frage;
Ist bekannt wie es sich mit den Rückstellungen bei deutschen Kraftwerksbetreibern verhält?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kraft,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Rückstellungen der Atomkraftbetreiber und Ihren sehr interessanten Artikelhinweis. Eine ähnliche Frage zum Endlager Asse habe ich bereits bei abgeordnetenwatch am 06.03.2009 beantwortet.

Das Atomgesetz besagt, dass die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung, Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen, zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe oder zur endgültigen Stilllegung der Anlage die nach Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage zu treffen haben (§ 7 Abs. 2 Ziffer 3 AtG). Hier müssen die Betreiber finanzielle Vorsorge durch die Rückstellungsverpflichtung treffen. Zudem sind die beim Betrieb und bei der Stilllegung anfallenden radioaktiven Reststoffe entweder schadlos zu verwerten (z.B. Aufarbeitung) oder als radioaktive Abfälle (im Endlager) geordnet zu beseitigen (§ 9a Abs. 1 AtG). Die Kontrolle über die Einhaltung dieser Verpflichtung obliegt den atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden der Bundesländer. Ob die Voraussetzung für die Rückstellungsbildung erfüllt ist, haben für die Handelsbilanz die jeweiligen Abschlussprüfer (Wirtschaftsprüfertestat) zu kontrollieren. Für die Steuerbilanz erfolgt diese Kontrolle durch die Finanzverwaltung. Die Betreiber sind jedoch nach Handels- und Steuerrecht berechtigt, die so erwirtschafteten Rückstellungen auch für sich "arbeiten" zu lassen z.B. in anderen Unternehmen an denen sie Anteile erwerben. Dieses kann natürlich im Rahmen der Finanzkrise dazu führen, dass auch die Rückstellungen an Wert verlieren. Man geht davon aus, dass die beliebig verwendbaren steuerfreien Rückstellungen derzeit rund 26 Milliarden Euro betragen. Sie stellen ein jahrzehntelanges zinsloses Darlehen für die AKW-Betreiber dar, welches z. B. für die Übernahme von Wettbewerbern eingesetzt wird. Dies verstärkt den ohnehin bestehenden Konzentrationsprozess in der Stromwirtschaft, welcher u. a. ein Grund für die enormen Strompreissteigerungen ist. Dieses Steuerprivileg beläuft sich laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf mindestens 175 Millionen Euro im Jahr.
Dadurch, dass Rückstellungen beliebig verwendbar sind, ist es nicht auszuschließen, dass diese durch Kurs- oder Konkursrisiken zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht mehr zur Verfügung stehen und gegebenenfalls die öffentliche Hand die Kosten für Rückbau und Endlagerung tragen muss.

Lieber Herr Kraft, ich könnte Ihnen hier noch jede Menge Argumente aufzählen, die gegen die Atomenergie sprechen. Ich möchte Ihnen dazu jedoch die von der SPD-Bundestagsfraktion erstellte Broschüre „70 Argumente gegen Atomenergie“ empfehlen. Atomenergie ist aus ökonomischen, ökologischen und sicherheitspolitischen Gründen nicht zukunftsfähig und deshalb muss es beim Atomausstieg bleiben. Es gibt genügend Alternativen zur Atomenergie, denen die Zukunft gehört.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Miersch

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