Frage an Matthias Heider von Jörn-Derek G. bezüglich Recht
Abwägung der Corona-Maßnahmen
Guten Tag Herr Heider,
mit den zu erwartenden ansteigenden Erkrankungszahlen (oder definierten Fälle) im Herbst werden nun von der Bundesregierung und von den Ministerpräsidenten wieder eine Vielzahl einschneidender Maßnahmen ausgerufen, die das soziale und wirtschaftliche Leben fast aller Bürger massiv betreffen werden.
Aussagen von Fachleuten lassen erwarten, dass das Beendigen der „Epidemischen Lage nationaler Tragweite“ wohl gut und gerne erst 2022 erfolgen wird; vor allem hier im Zusammenhang mit dem voraussichtlichen Abschluß der angestrebten Impfmaßnahmen.
Meine grundsätzliche Frage an Sie ist nun:
In wieweit habe Sie (oder ihre Fraktion) die Alternativlosigkeit dieser Maßnahmen und, falls klar erkennbar, der zugrundeliegenden Strategie, überprüft ?
Ich möchte mich bei der Beschreibung eines Alternativmodels an der Great Barrington Declaration orientieren: Risikogruppen-Schutz (bei deren Wunsch), die tatsächliche Belastungsgrenze des Gesundheitssystems als akzeptable Grenze für angemessene Verbotsmaßnahmen, normale Hygienemaßnahmen für alle.
Risikogruppen waren schon seit Ende Januar definierbar und die frühe Heinsberg-Studie hält in wichtigen Punkten bis jetzt.
Also konkret:
Wie haben Sie sich ein Bild gemacht, ob die anfangs durchgeführten und nun, in anderer Reihenfolge, wiederholten Maßnahmen angemessen waren/sind; vor allem unter Beachtung der Vorgaben des Grundgesetzes und des Rechtsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit ?
Gern würde ich erfahren,
• welche Anfragen Sie (oder ihre Fraktion) hierzu an die Bundes/Landesregierung gestellt haben,
• welche Antworten es hierzu gab, und
• welche Studien Sie (oder ihre Fraktion) ggf. selbst beauftragt haben, falls die Bundes/Landesregierung nicht oder nicht ausreichend geantwortet hat
Das Parlament als Vertretung des Souveräns war schon seit Monaten in der Pflicht, hier zu hinterfragen und ggf. zu handeln.
Mit freundlichen Grüßen,
Jörn-Derek Gehringer
Sehr geehrter Herr Gehringer,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 1.11.2020, in dem Sie Bezug auf die Corona-Maßnahmen und deren Verhältnismäßigkeit nehmen.
Ich stimme Ihnen zu, dass es absolut notwendig ist, die Maßnahmen, die die Bundesregierung im Kampf gegen das Coronavirus trifft, zu hinterfragen und deren Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Genau das tun wir - sowohl innerhalb der Fraktion als auch im Bundestag werden die jeweiligen Maßnahmen, die die Bundesregierung als notwendig erachtet, ständig diskutiert. Die Grundlage aller Überlegungen bildet das Ziel, die Bevölkerung bestmöglich zu schützen.
Dass die Meinungen bei einem solch einschneidenden Thema teilweise auseinander gehen, können Sie sich sicher vorstellen. Für mich ist es richtig und notwendig, das Virus zu bekämpfen und dafür Regelungen zu treffen. Meiner Meinung nach wäre es jedoch noch sinnvoller, die Maßnahmen regional abzustimmen und nicht dieselben Regelungen für alle 16 Bundesländer einheitlich zu treffen, wie es mit dem Teil-Lockdown für den November geschehen ist. Daher erachte ich die nun beschlossenen Maßnahmen teilweise für zu weitgehend. Dazu habe ich mich auch etwas ausführlicher in der Westfalenpost vom 30.10. geäußert.
Es hat sich bisher gezeigt, dass es im Kampf gegen steigende Infektionszahlen schneller Handlungsfähigkeit bedarf. Daher ist es notwendig, die Maßnahmen durch die Exekutive beschließen zu lassen, die über schnellere Mittel und Wege verfügen, als es im Rahmen eines legislativen Prozess erfolgen könnte. Dies bedeutet aber keineswegs, dass im Parlament keine Debatte über die eingeschlagene Richtung in der Pandemiebekämpfung stattfindet. Im Gegenteil: Es ist eine der Hauptaufgaben des Parlamentes, das Regierungshandeln zu kontrollieren und auch gegebenenfalls anzupassen. Die Debatte in der letzten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages hat gezeigt, dass das Parlament diese Aufgabe ernst nimmt. Aus meiner Sicht ist es nun wichtig, dass wir diese Debatte fortführen und das Parlament richtungsweisende Impulse für die Fortführung der Pandemiebekämpfung gibt.
Trotz meiner Kritik an teilweise zu weitgehenden Maßnahmen möchte ich noch einmal betonen, dass das Virus nur gemeinsam bekämpft werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Matthias Heider