Frage an Matthias Groote von Johannes A. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Groote,
die EU ist verpflichtet, den CO2 Ausstoß bis 2020 um 20% zu verringern. Kraftwerksprojekte verhindern das Erreichen dieser Ziele. Allein in der Euroregion Ems-Dollart (EDR) planen die Unternehmen RWE, Nuon B.V., Berner Kraftwerke, Dong Energy und Advanced Power AG insgesamt fünf Kraftwerke. Besonders Klima gefährdend sind die geplanten Kohlekraftwerke bei Dörpen, Emden und Eemshaven. Die EDR ist im Begriff sich zu einer Modellregion für regenerative Energieerzeugung und nachhaltigen Tourismus im Sinne der Agenda 21 zu entwickeln. Diese Entwicklung ist existenziell abhängig von einer intakten Umwelt. Die Realisierung der Kraftwerksprojekte bedroht diese Grundlage massiv. Die für die Kohletransporte erforderliche Emsvertiefung gefährdet den Bestand der Inselsockel mit unkalkulierbaren Risiken für den Küstenschutz. Nicht umkehrbare Schäden für das Wattenmeer wären die Folge, die angestrebte Anerkennung als UNESCO Weltkulturerbe unmöglich.
Kann es die EU zulassen, dass den ökonomischen Interessen einiger Energiekonzerne eine ganze Region geopfert wird? Ist es gegenüber nachfolgenden Generationen verantwortbar, Energie zu erzeugen, die mit astronomischen Folgekosten für Küsten- und Klimaschutz verbunden ist? Gibt es keine EU einheitlichen Auflagen zur Errichtung von Kohlekraftwerken? Wie wollen Sie die Bürger der Regionen für die EU Idee gewinnen, wenn EU die Vernichtung ihrer Ressourcen bedeutet?
Ich appelliere an Sie, sich für eine tragfähige Zukunft der Ems-Dollart-Region einzusetzen und die Pläne der Kraftwerksbetreiber zu stoppen. Sie entscheiden mit, ob wir uns zu einer modellhaften Umweltregion weiterentwickeln oder ob wir zu einer Energiemüllhalde entwickelt werden. Steuern wir auf ein Europa der Bürgerinnen und Bürger oder auf ein Europa der Lobbyisten zu? Bei der Europawahl im Juni 2009 werde ich, wie sicher einige Wählerinnen der EDR auch, meine Wahlentscheidung von Ihrer Stellungnahme zur Energiefrage abhängig machen.
J. Akkermann
Sehr geehrter Herr Akkermann,
vielen Dank für Ihre Anfrage und dafür, dass Sie mir hiermit die Gelegenheit geben, zu diesem Thema Stellung zu beziehen.
Wie sie richtig beschreiben, unser heutiges Problem ist, dass die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre, vor allem die des Kohlendioxids (CO2), durch die Industrialisierung der letzten 150 Jahre zu stark angestiegen ist. Durch Industrie, Haushalte und Verkehr erhöht sich ihr Anteil fortlaufend und unsere Atmosphäre heizt sich unnatürlich stark auf. Sollte der steigenden Erwärmung in Zukunft nicht Einhalt geboten werden, hat das weltweit weitreichende Folgen. Deshalb haben wir, wie sie richtig feststellen, mit dem Klimapaket nun beschlossen, dass bis zum Jahre 2020 der Ausstoß von CO2 gegenüber 2005 um 20% verringert werden soll. Wenn andere Industrienationen (USA, China) sich anschließen dann wird die EU sogar 30% des Treibhausgases CO2 reduzieren. An diesem Ziel wird nicht gerüttelt.
Außerdem ist eine Revision des Emissionshandelsystems verabschiedet worden. Darunter verbirgt sich ein marktwirtschaftlich orientiertes System, das zur Reduktion klimaschädlicher Gase beitragen soll. Industrie und Energiekonzerne dürfen nur so viel CO2 ausstoßen, wie sie Rechte in Form von Zertifikaten erworben haben. Wer darüber liegt, muss Zertifikate von sparsamer wirtschaftenden Betrieben an der Börse hinzukaufen. In der neuen Handelsperiode von 2013 an sollen die Zertifikate deshalb jährlich auf EU-Ebene verteilt oder versteigert werden. Bis 2020 ist außerdem eine Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes um 20 Prozent gegenüber 2005 geplant. Die Zertifikate können bei der Erstzuteilung durch den Staat prinzipiell kostenlos (Grandfathering) oder kostenpflichtig (Auktionierung, Festpreisverkauf) vergeben werden. Die EU-Emissionshandels-Richtlinie sieht vor, dass den betroffenen Anlagen im Zeitraum der ersten Zuteilungsperiode 2005-2008 mindestens 95% der Berechtigungen und im Zeitraum der zweiten Zuteilungsperiode
2008 bis 2012 mindestens 90% der Berechtigungen kostenlos zugeteilt werden. Für Neuanlagen erfolgt die Zuteilung nach dem "BAT-Benchmark" aufgrund der besten verfügbaren Technik. Je höher die Effizienz der Anlage, desto näher liegt die Zuteilung am tatsächlichen Bedarf der Anlage. Jedes Jahr soll die Menge ausgegebener Zertifikate um 1,74 Prozent gesenkt werden. 2020 würden dann nur noch 1720 Millionen Zertifikate ausgegeben werden. Dabei entspricht ein Zertifikat einer Tonne CO2.
Die Unternehmen nehmen wir dabei auch in die Pflicht: Bei einer Nichterfüllung der Vorgaben müssen pro Tonne CO2 100 Euro als Bußgeld gezahlt werden.
Desweiteren haben wir uns im Europäischen Parlament dafür stark gemacht CO2-Emissionen von Autos zu begrenzen. Danach dürfen im Jahre 2020 Fahrzeuge im Schnitt nur noch 95g CO2/km ausstoßen. Dies sichert verbrauchsarme Fahrzeuge auf Europas Straßen und bedeutet sowohl mehr Klimaschutz als auch mehr Geld im Portemonnaie der Autofahrer.
Wie sie an diesen Beispielen erkennen können setze ich mich durch meine politische Arbeit für den Klima- und Umweltschutz ein. Laut jüngster Infratest Umfrage sehen sich die Bürger auch selbst in der Verantwortung, die Umwelt aktiv zu schützen. Zum einen gibt eine deutliche Mehrheit der Befragten (72 Prozent) an, dass sie Wert auf eine umweltschonende Energienutzung lege und dies auch umsetzen wolle.
Wenn wir über Umweltschutz und den schonenden Umgang mit unseren Ressourcen sprechen, dann gehört auch der Ausstieg aus der Atomenergie dazu. Unter der Regierung von Gerhard Schröder wurde dieser wichtige Beschluss gefasst. Wir Sozialdemokraten halten weiterhin daran fest und es wird auch nicht daran gerüttelt! Nicht nur sicherheitstechnisch ist dies mehr als erforderlich, denn die Anzahl der Störfälle europaweit hat gezeigt, dass abgeschriebene Kernkraftwerke ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen. Aber auch ökonomisch ist es mehr als sinnvoll, sich so schnell es geht von der Atomenergie zu lösen.
Ohne Zweifel die beste Energieerzeugungsform stellen Erneuerbare Energien dar. Aber wir können nicht ohne weiteres einfach die Kraftwerke abschalten und uns allein auf erneuerbare Energien verlassen. Eine 100%ige Deckung unseres Energiebedarfs ist leider noch nicht möglich. Die Lücke in der Energieversorgung, die nach dem Abschalten der Atomkraftwerke entsteht, kann bis zum Jahr 2020 nicht durch erneuerbare Energien geschlossen werden.
Das EU-Parlament und die EU-Parlamentarier haben auf die Errichtung und Genehmigung von Kohlekraftwerken in den Mitgliedsstaaten keinen Einfluss. Die Entscheidung wird national von den jeweiligen Regierungen getroffen. Im Übrigen bedeuten neue Kohlkraftwerke keine Zunahme an Kohlendioxid-Ausstoß. Zum einen würden alte Kraftwerke mit einem niedrigen Wirkungsgrad abgestellt, zum anderen wird der Ausstoß durch den Emissionshandel nach oben hin begrenzt.
Im Rahmen des Klimapakets haben wir zwar wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht, aber ich hätte mir ein ambitionierteres Vorgehen gewünscht. Liberale und Konservative haben dies im Parlament leider nicht zugelassen. Aber auch im Rat gibt es eine Mehrheit von 18 zu 27 konservativ/liberalen Staats- und Regierungschefs, so dass es auch hier mitunter schwierig bis unmöglich ist, strengere Umweltkriterien festzulegen.
Insofern stellt die Europawahl am 7. Juni in der Tat ein wichtiges Datum dar. Sie können entscheiden, ob Sie jemanden wählen, der sich für mehr Klimaschutz einsetzt oder die Ziele und Kriterien weiterhin möglichst niedrig setzen möchte.
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Groote