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Frage von Kim Ole A. •

Frage an Matthias Groote von Kim Ole A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Groote,

nach dem Irland nun mit Nein für den EU-Vertrag gestimmt hat, sagt das Gesetz, dass der EU-Vertrag nichtig ist. Jetzt höre ich aber, dass einige Politiker in Deutschland und in anderen EU-Ländern sich einfach über dieses Gesetz hinwegsetzen und den Vertrag auch ohne Irland ratifizieren wollen. Das gibt erstens ein schlechtes Vorbild, denn jeder muss sich an Gesetze halten und zweitens ist dieses Verhalten zutiefst undemokratisch. Für den einfachen Bürger sieht es so aus, als würden die Regierenden ihre Ziele um jeden Preis durchsetzen wollen und es wird auf nichts und niemanden Rücksicht genommen nicht einmal auf ein Referendum, also auf Volkes Stimme. In einer Sendung des ARD-Magazins Panorama gab es einen Beitrag, in dem einige Bundestagsabgeordnete nach dem Inhalt des EU-Vertrages gefragt wurden, die Antworten waren für Menschen, die über den EU-Vertrag abstimmen sollten, nicht sehr Vertrauen erweckend. Wie Sie wissen, haben fast alle Bundestagsabgeordnete den Vertrag von Lissabon "durchgewinkt", ohne diesen inhaltlich wirklich zu kennen. Schon dieser Umstand hat mein Vertrauen in unsere Demokratie erschüttert.

Daher meine Anfragen an Sie:
1. Wäre es nicht besser, den Völker der EU generell ein Referendum zuzugestehen, nachdem das Für und Wieder eines solchen weitgehenden Vertrages öffentlich diskutiert und verständlich gemacht worden ist.
2. Wie stehen Sie zu den Aussagen von Prof. Karl Albrecht Schachtschneider im Bezug auf der Lissabon-Vertrag sei eine Art „Ermächtigungsgesetz" und wenn der Vertrag in Kraft trete, sei „Deutschland keine Demokratie mehr“

Mit den besten Wünschen

Kim Ole Andersen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Andersen,

Vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich zum Vertrag von Lissabon erkundigen. Gerne möchte ich Ihnen meine Position zu der Situation nach dem Referendum in Irland deutlich machen.

Das Nein der Iren zum Vertrag von Lissabon ist in erster Linie eine große Enttäuschung und ein herber Rückschlag für die Weiterentwicklung der EU. Nun geht es darum einen Weg zu finden, der einerseits den Willen der irischen Bevölkerung respektiert, aber andererseits den Fortschritt der Europäischen Union ermöglicht. Damit komme ich zu Ihrer ersten Frage: Es gibt grundsätzlich kein Gesetz, das besagt, dass der Vertrag nichtig ist, wenn ein Mitgliedstaat mit Nein gestimmt hat. Das internationale Vertragsrecht regelt lediglich, dass Verträge erst dann in Kraft treten, wenn sie von allen Vertragsstaaten ratifiziert sind. Somit gibt es durchaus die Möglichkeit, dass die irische Regierung entscheidet, ein zweites Referendum einzuberufen. Wird diese Volksabstimmung gewonnen, tritt der Vertrag von Lissabon in Kraft.

Meines Erachtens ist das bisherige Ratifizierungsverfahren in Irland allerdings in der Tat undemokratisch. Das Nein von wenigen hunderttausend Menschen reicht, um den Fortschritt für 500 Millionen zu blockieren. Leider ist aber ein echtes europäisches Referendum, über dieselbe Frage, am selben Tag, bei dem eine Mehrheit von Bürgern und eine qualifizierte Mehrheit von Staaten entscheiden, bei den Mitgliedstaaten nicht mehrheitsfähig. Darüber hinaus sollte man sich die Gründe für das Nein der Iren genauer anschauen: Dabei wird deutlich, dass die Iren in erster Linie schlecht über den genauen Inhalt des Vertrags informiert waren. Die EU-Mitgliedstaaten haben es leider versäumt, die von ihnen ausgehandelten und vereinbarten Europa-Verträge verständlich und überzeugend zu vertreten. So hatten die Europa-Gegner ein leichtes Spiel, mit populistischen und zum Teil verfälschenden Slogans Teile der Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen.

Insgesamt sollte man sich darüber im Klaren sein, dass direkte Demokratie nicht demokratischer ist als repräsentative Demokratie. Bewusst hat man sich in Deutschland gegen Referenden entschieden. Deshalb sollte man den gewählten Volksvertretern auch in der Europapolitik bei Entscheidungen ein bisschen mehr Vertrauen entgegen bringen. Dies führt mich allerdings zu Ihrer zweiten Bemerkung hinsichtlich der Bundestagsabgeordneten und Ihrer Kenntnis über den Lissabonner Vertrag. Es ist in der Tat bedauerlich, dass einige Abgeordnete der nationalen Parlamente den genauen Inhalt des Vertrages nicht kennen. Allerdings würde ich Sie bitten, diese Kritik direkt an die jeweiligen Abgeordneten zu richten.

Zu den Äußerungen von Herrn Schachtschneider kann ich nur sagen, dass diese an den Haaren herbei gezogen sind. Nicht alles, was ein Professor sagt, ist auch automatisch wahr. Es gibt viele Probleme z.B. den Klimaschutz, die hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise oder auch die Finanzkrise, die nicht allein auf nationaler Ebene gelöst werden können. Nur wenn Europa geschlossen auftritt, kann es diesen Herausforderungen gerecht werden. Dies sieht der Vertrag von Lissabon vor. Er ist aber auch ein Durchbruch für mehr Demokratie in Europa, weil er das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente stärkt und ein europäisches Bürgerbegehren einführt. Mit dem Lissabonner Vertrag wird die europäische Demokratie gestärkt, ohne die deutsche zu schwächen.

Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Groote