Frage an Martina Michels von Dieter D. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Michels,
wie unterstützt die Linke nach 21 Jahren staatlicher Einheit die Herstellung der wirtschaftlichen und sozialen Einheit, Rentengerechtigkeit und Beseitigung des Rentenstrafrechts, gleiche Löhne in Ost und West, flächendeckende und branchenübergreifende Mindestlöhne in ganz Deutschland?
Sehr geehrter Herr Dreyer,
zunächst herzlichen Dank für die an mich gestellte Frage, die einen ganzen Komplex von Problemfeldern umfasst.
Sie haben Recht, die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West stellt auch 21 Jahre nach der Vereinigung noch ein Problem dar. Immer noch gilt häufig der Ausspruch „Sage mir wie viel Du verdienst, und ich sage Dir wo Du wohnst“. Eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung belegt, dass es noch Unterschiede von bis zu 33 Prozent zwischen Ost- und Westdeutschen für gleiche Arbeit gibt. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, für Frauen und Männer und in allen Regionen, ist die Grundvoraussetzung für die Angleichung der Lebensverhältnisse in unserem Land, so wie es das Grundgesetz vorschreibt. Die Ergebnisse der Studie belegen, dass es zwingend erforderlich ist, endlich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland einzuführen. Die Legende, dass niedrige Löhne Arbeitsplätze sichern, hat sich seit vielen Jahren als falsch erwiesen. Solange Ostdeutschland weiter ein Reservat für Billiglöhne ist, werden junge, gut ausgebildete Fachleute in den Westen abwandern. DIE LINKE fordert, dass der Bundestag endlich ein Gesetz für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn beschließt. Beim gesetzlichen Mindestlohn geht es darum, zu sichern, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. In Berlin haben wir 2010 ein neues Ausschreibungs- und Vergabegesetz durchgesetzt, in dem festgelegt wird, dass Unternehmen nur öffentliche Aufträge erhalten, wenn sie Mindestlohn zahlen. Mit diesem Gesetz haben wir mehr Gerechtigkeit geschaffen. Auch wir sagen, Leistung muss sich lohnen. Aber Leistung lohnt sich nur, wenn sie gut entlohnt wird. Von Arbeit muss man bzw. frau auch leben können. Dafür steht die Linke im Bund wie im Land.
Deshalb wird in dem Vergabegesetz die Bindung an die nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz fixierten Löhne festgelegt. Soweit es für bestimmte Branchen keine Tarifverträge gibt oder die dort vorgesehenen Tarifverträge unter dem Lohn von 7,50 Euro pro Stunde liegen, wird ein Mindestlohn von 7,50 Euro verlangt. Mit den 7,50 Euro haben wir uns an den damaligen Mindestlohnforderungen des DGB orientiert. Heute sind DIE LINKE und die Gewerkschaften der Auffassung, dass der Mindestlohn schrittweise erhöht werden muss - mittelfristig bis auf 10 Euro. Wir wollen den Mindestlohn sofort von derzeit 7,50 Euro auf 8,50 Euro (1.470 Euro monatlich) anheben und dann jährlich der ökonomischen Entwicklung und Preissteigerung anpassen.
Mit dem Mindestlohn wirken wir dem zunehmenden Trend des Einsatzes von Niedriglohnkräften entgegen. Außerdem stärken wir den fairen Wettbewerb. Der Mindestlohn verhindert Wettbewerbsverzerrung zwischen Unternehmen, die ihre Arbeitskräfte nach den in Berlin geltenden Tarifen entlohnen, und anderen Unternehmen, die deutlich geringere Entgelte zahlen. Und es verhindert, dass Löhne für eine Ganztagsbeschäftigung vom Jobcenter aufgestockt werden müssen.
Auch in der Frage der Rentengerechtigkeit lassen sich immer noch Unterschiede zwischen Ost und West ausmachen. Für ein erfülltes gesundes Alter braucht es Grundvoraussetzungen für alle. Dabei muss auch die materielle Basis – die Rente stimmen. Eine statistische Erhebung hat erst kürzlich festgestellt, dass die Rentenanwartschaften in Ostdeutschland seit 1992 um gut ein Viertel gesunken sind. Die durchschnittlichen Rentenanwartschaften in den neuen Ländern seien um 26,5 Prozent zurückgegangen. Die Rentenanwartschaft ergibt sich aus Beitragszahlungen und der Anrechnung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten. DIE LIMKE fordert, dass sich die Politik endlich der drohenden Altersarmut im Osten stellen muss. Deshalb brauchen wir außerdem dringend eine Mindestrente. Niemand darf künftig im Alter weniger als 850 Euro pro Monat haben.
DIE LINKE streitet auf Bundesebene für armutsfeste Mindestrenten und eine Rentenformel, die den Lebensstandard auch im Ruhestand sichert. Gegenwärtig verhindern dies unstete Erwerbsverläufe z.B. durch Arbeitslosigkeit oder Familienarbeit. Davon waren und sind viele Frauen betroffen, doch in den zukünftigen Rentengenerationen wird es auch Männer betreffen. Die Schere zwischen Ost und West wird sich ebenfalls vergrößern. Deshalb setzen wir uns in Berlin auch mit Hilfe von Bundesratsinitiativen dafür ein, dass es endlich zu einer Rentenangleichung Ost und West kommt.
DIE LINKE streitet für eine demokratische Kultur der Teilhabe, der Gleichberechtigung aller Berlinerinnen und Berliner – unabhängig von Herkunft, Weltanschauung, Alter, Gesundheitszustand oder sexueller Orientierung. Das Bild von Seniorinnen und Senioren als »altes Eisen«, die nur noch versorgt und aufbewahrt werden, passt nicht zu unserem Menschenbild. Menschen in höherem Alter haben Wissen, Erfahrungen, Kreativität und Können, die für die Gesellschaft von unschätzbarem Wert sind. Nicht einfach unter dem Aspekt ökonomischer Verwertbarkeit, sondern als Vermittlung von Wissen und Erfahrungen im Sinne eines solidarischen Miteinanders und einer solidarischen Stadtgesellschaft in Berlin. Wir haben als erstes Bundesland ein SeniorInnenmitwirkungs-Gesetz beschlossen. Das wollen wir nach ersten Erfahrungen nun weiter entwickeln, um die Beteiligung älterer Berlinerinnen und Berliner an der Gestaltung ihrer Stadt auszuweiten, um mehr Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund für die Arbeit zu gewinnen und die Beteiligung bei Wahlen zu den Senioren-Vertretungen zu erhöhen.
Viele Grüße
Martina Michels, MdA