Sehr geehrte Frau Michels, wie ist Ihre persönliche Meinung zu gendersensiblen Sprache?
Sehr geehrte Frau Michels,
ich möchte Sie gerne fragen, wie Ihre Haltung zur gendersensiblen Sprache ist. Denken Sie, es ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung, da sich hierbei auch Menschen angesprochen fühlen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, oder empfinden Sie die Debatte darum eher irrelevant bzw. deplatziert? Nutzen Sie eventuell selbst gendersensible Sprache in Form von Sternchen, Unterstrichen, Doppelpunkt oder lehnen Sie diese ab?
Auf Ihre ausführliche Antwort freue ich mich sehr !
Mit freundlichen Grüßen
Alina M.
Sehr geehrte Frau Alina M.,
wenn Sie auf die Homepage unser Delegation linker Abgeordneter in Brüssel gehen, werden Sie sehen, dass wir gendersensible Sprache (mit *) schon lange nutzen www.dielinke-europa.eu und Gleiches finden Sie auch auf meiner Homepage: www.martina-michels.de.
Die Debatte ist absolut nicht überflüssig und in politische Texten, die neu verfasst werden, ist es sinnvoll, mit guten Beispiel voranzugehen. Meines Erachtens gibt es in meiner Partei DIE LINKE dazu nicht nur Leitfäden, die Debatten werden auch offensiv geführt.
Meine Beobachtung ist überdies, dass sich mehr diejenigen lautstark äußern, die gegen eine geschlechtersensible Sprache sind und glauben, dies würde der Schönheit der deutschen Sprache oder ihrer Regelhaftigkeit Abbruch tun. Dabei wird gern verschwiegen, dass zum Beispiel die Schreibreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts selbst viele Neuerungen restriktiv einführte, so dass die Rede von langen Traditionen nicht immer der historischen Wahrheit entspricht.
Andererseits ist es nicht verwunderlich, dass das praktizierte Jahrhunderte alte Patriarchat und eine heteronormative Diskriminierung auch in der alltäglichen Sprache widergespiegelt wird. Dagegen aktiv Schrift- und mittlerweile auch mündliche Sprache zu ändern, um alle Geschlechter sichtbar zu machen und ansprechen zu können, ist politisch geboten, so ungewohnt es manchen Zeitgenoss*innen erscheinen mag.
Das Feuilleton der großen Tageszeitungen wartet immer wieder mit ablehnenden Artikeln zur Nutzung geschlechtersensibler Sprache auf, ohne auch nur im Ansatz zu erläutern, dass es einerseits höchst unterschiedliche Texte gibt und Schreib- und Sprechregeln nicht ahistorische Gegebenheiten sind. In Verwaltungen, dem Personalwesen oder in der Politik, aber auch zum Teil in aktuellen Medien ist es nicht egal, wie man die reale Diversität aus- und anspricht. Für diese Norm würde ich schon einstehen und fordern, dass in diesen Beteichen alle Menschen angesprochen werden. Öffentliche Institutionen können hier vorbildlich vorangehen. Auch im Bildungsbereich halte ich dies für sinnvoll und wichtig. Dort geht es sicherlich besonders auch noch um die begleitende Bildsprache.
Bei literarischen Texten sollen nach meinem Dafürhalten alle schreiben wie sie wollen und Kulturerbe sollte kommentiert, aber nach meinem Dafürhalten nicht sofort umgeschrieben werden. Dies ist allerdings ein weites Feld und muss gemeinsam diskutiert werden, denn auch jenseits der fehlenden geschlechtersensibler Sprache in historischen Texten, haben wir es bei älteren Texten oft mit rassistischem Vokabular zu tun, welches Menschen beleidigt und herabsetzt. Auch dafür brauchen wir Empathie und Sensibilität und eine neuzeitliche Umgangsweise, die diesen Rassismus nicht fortschreibt.
Vielen Dank für ihre wichtige Frage,
Martina Michels