Martina Michels
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Frage von Sina K. •

Frage an Martina Michels von Sina K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Michels.

Wie sollen Ihrer Meinung nach die Mindeststandards aussehen, bzw. wie wollen Sie diese u.a. als EU-Parlamentaria umsetzen.

Wie könnten Ihrer Meinung nach konkrete Maßnahmen aussehen, um die von Armut und Obdachlosigkeit betroffenen Menschen nachhaltig in ihrer Lebenssituation zu unterstützen?

Mit welchen Maßnahmen würden Sie der Diskriminierung bedrohter Gruppen in unserer Gesellschaft entgegengewirken?

Martina Michels
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Kiefert,

Ihre Fragen zielen offensichtlich auf unsere Positionen zur Überwindung von Armut und Ausgrenzung in Europa ab. Lassen Sie mich darauf im Zusammenhang eingehen.
Nach unserer Auffassung muss sich die EU und ihre Mitgliedstaaten auf gemeinsame soziale und kulturelle Mindeststandards als bindende Ziele festlegen: für die Überwindung von Armut, insbesondere von Kinderarmut und Altersarmut, von Arbeitslosigkeit, sozialer Ausgrenzung und struktureller Benachteiligung – vor allem von Frauen. Wir wollen einen europäischen Pakt zur Beseitigung der Armut initiieren. Darin würden die Mitgliedstaaten verpflichtet, durch entsprechende Maßnahmen zu sichern, dass in fünf Jahren kein Mensch in Europa mehr unterhalb der Armutsgrenze von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittseinkommens leben muss. Dies bezieht sich auf die EU-Definition von Armut.
Auf der einen Seite steigen die Unternehmensgewinne in der EU und andererseits sinkt der Anteil der Löhne am Volkseinkommen. 17% der Menschen in der EU leben derzeit in Armut, vor allem Frauen und Kinder. Millionen Menschen sind mehr und mehr gezwungen, sich mit Billigjobs oder sozial schlecht gesicherten Arbeitsplätzen abzufinden. Zeit zum Handeln, meinen wir.
Dass Schritte in diese Richtung durch engagierte Arbeit von Abgeordneten der LINKEN im EP möglich sind, zeigt der Bericht von Gabi Zimmer MdEP (DIE LINKE, DE) für den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Fragen des Europäischen Parlaments zu Förderung der sozialen Integration und die Bekämpfung der Armut in der EU vom vergangenen Jahr, der erstaunlicherweise mit einer Mehrheit der Stimmen der im Europaparlament vertretenen Parteien angenommen wurde.
In diesem Bericht wird unter anderem gefordert, dass Einkommen aus der sozialen Mindestsicherung und aus Erwerbsarbeit ein Niveau erreichen sollten, das Einkommensarmut verhindert. Der Bericht fordert den Europäischen Rat auf, EU-weite Zielvorgaben zum Niveau der sozialen Mindestsicherung und von Mindestlöhnen (mindestens 60 % des nationalen bzw. branchenspezifischen Durchschnittslohns) zu vereinbaren.
Um soziale Ausgrenzung zu verhindern, wird in diesem Bericht der Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge - insbesondere in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Bildung und Weiterbildung - mit verbessertem Zugang gerade für marginalisierte Gruppen, gefordert.
Nach Auffassung des Berichts ist die EU-Strategie zur Überwindung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu erneuern, zu verstärken und besser mit anderen EU-Politikfeldern zu verknüpfen. Dazu verlangt er, dass der Europäische Rat die Strategie mit konkreten Zielvorgaben unterfüttert, um die Mitgliedstaaten unter Zugzwang zu setzen, dem Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen zu widmen. Dazu zählen z. B. Zielvorgaben zur Reduzierung der allgemeinen Armutsquote, der Armut trotz Erwerbsarbeit und verfestigter Langzeitarmut sowie zur Überwindung der Wohnungslosigkeit und des Phänomens der Straßenkinder.
In der nächsten Legislaturperiode wird es für die Abgeordneten der LINKEN im EP gerade mit Blick auf das „Europäische Jahr des Kampfes gegen Armut und Ausgrenzung“ in 2010 der sozialpolitische Schwerpunkt ihrer Arbeit sein, diese Positionen aufzugreifen und für ihre Umsetzung zu kämpfen.
Eine wichtige Voraussetzung übrigens, um der Benachteiligung und Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken, ist für uns die Stärkung politischer Rechte. Deshalb unterstützen wir die Forderungen der Gewerkschaften nach einer sozialen Fortschrittsklausel in den europäischen Verträgen. Die soziale Fortschrittsklausel muss gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit am gleichen Ort sichern. Grundsätzlich setzt sich DIE LINKE dafür ein, den Vorrang der politischen und sozialen Grundrechte vor den Marktfreiheiten einschließlich der Sozialklausel direkt in die EU-Verträge aufzunehmen.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben.
Viele Grüße
Martina Michels