Martina Michels
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Frage von Sven Z. •

Frage an Martina Michels von Sven Z. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Michels,

als eine der Kandidaten in meinem Wahlkreis habe ich einige Fragen an Sie:

1. Wie stehen Sie als Politikerin einer Partei mit teilweise totalitaristischer Vergangenheit zur Demokratie?

2. Wie ist Ihre Einstellung zum deutschen Grundgesetz?

3. Sind Sie fuer die Abschaffung des Kapitalismus und die (Wieder-) Errichtung eines sozialistischen Systems?

4. Falls ja: Kann ein sozialistisches System auch ohne Diktatur funktionieren und wenn ja - wie?

5. Was moechten Sie als Europaabgeordnete erreichen?

Viele Gruesse,
Sven Zimmermann

Martina Michels
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

ich bedanke mich für Ihre Frage und das damit verbundene politische Interesse.

zu 1.: Gerade als eine Vertreterin einer Partei, die mit der Verantwortung für die Vergangenheit aus der Geschichte der SED beladen ist, sind die von Ihnen angesprochenen Fragen über Demokratie und Totalitarismus von großer Bedeutung. Es sind genau die konkreten Erfahrungen aus der DDR, die mich zu einem konsequenten Eintreten für demokratische Rechte und Strukturen als Schlussfolgerung geführt haben. Aus diesem Grunde habe ich auch 1989 für mich persönlich die Konsequenz gezogen und begonnen, mich in die Politik einzumischen anstatt wegzusehen oder mitzulaufen und bin seit 1990 direkt gewählte Abgeordnete im Berliner Parlament. Freiheit und Demokratie gehören für mich zu den Eckpfeilern der Gesellschaft und sind unverzichtbare Grundrechte.
Demokratie zeigt sich nicht nur daran, mit welchen Regeln Regierungen zustande kommen und wie weit politische und soziale Gleichheit und Freiheit verwirklicht sind, sondern auch, in wessen Interesse Herrschaft wahrgenommen wird.
Demokratie kann sich nach meiner Auffassung nicht in Wahlen erschöpfen. Schon das Grundgesetz bestimmt, dass das „Volk“ seine Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen ausübt (Art.20, 2). Volksabstimmungen, die Einführung einer Volksgesetzgebung sind möglich und erforderlich. Zu einer funktionierenden Demokratie gehört für DIE LINKE. auch die staatliche Verantwortung und staatliche Bereitstellung der für ein menschenwürdiges Dasein notwendigen Güter und Leistungen - die öffentliche Daseinsvorsorge. Die Demokratie muss ihre Bevölkerung schützen. Datenskandale von Lidl über Telekom bis Deutsche Bahn und die Krisenmaßnahmen der Bundesregierung zeigen, dass  für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Bürgerrechte allenfalls zweiter Klasse gelten und Mitbestimmungsrechte über Unternehmenspolitik kaum existieren. Für mich ist Demokratie daher vor allem aktiver Schutz der Bürger- und Grundrechte. Demokratie ist kein „fertiger“ Zustand; Demokratie muss Tag für Tag von Bürgerinnen und Bürgern gelebt werden: auf allen Ebenen und in allen Bereichen - europäische, internationale wie kommunale Ebene bis hin zur Wirtschaft in der Kommune. Die Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger, die Politik direkt zu beeinflussen müssen deshalb erweitert und auch auf die Bundesebene übertragen werden.

zu 2.: Das Grundgesetz beinhaltet die verfassungsmäßigen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland.  Zum unveränderbaren Kernbereich des Grundgesetzes gehören die Prinzipien Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat und föderaler Bundesstaat. Das Grundgesetz ist in seinen unabänderlichen Grundprinzipien Ausgangspunkt der Politik der Partei DIE LINKE. Die von uns angestrebten Ziele einer Demokratisierung der Gesellschaft, einer sozial gerechten Gestaltung von Arbeit und Wirtschaft, einer Wirtschaftsdemokratie, die alle Formen des Eigentums an sozialen und ökologischen Kriterien misst sowie einer internationalen Ordnung des Friedens, der kollektiven Sicherheit und solidarischen Entwicklung, sind im Grundgesetz verankert. DIE LINKE verteidigt deshalb das Grundgesetz gegen alle Versuche einer Unterhöhlung und Einschränkung. Gleichzeitig wollen wir die demokratischen Mitwirkungsrechte und die individuellen Freiheitsrechte des Grundgesetzes verteidigen und um soziale Teilhaberechte ergänzen: Das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes soll durch das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und das Gebot der staatlichen Absicherung der wichtigsten Lebensrisiken konkretisiert werden. Dazu sollen  soziale Grundrechte wie das Recht auf Arbeit und eine Existenz sichernde gerechte Entlohnung, das Recht auf Wohnen, das Recht auf Zugang zu einer guten Gesundheitsvor- und -fürsorge oder das Recht auf Bildung direkt in das Grundgesetz aufgenommen werden.
Zur sozialen Gerechtigkeit gehört es auch, für eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu sorgen. Dies bedeutet zum Beispiel, eine gerechtere Steuerpolitik zu machen und unter anderem die Vermögenssteuer auf große Vermögen wieder zu erheben.

zu 3.: Daraus wir deutlich, dass auch das jetzige kapitalistische System nicht die letzte Antwort der Geschichte sein kann. Gerade die gegenwärtige Finanzkrise zeigt m.E. sehr deutlich, dass eine vorrangig auf  Gewinnmaximierung ausgerichtete Politik fatale Folgen für die Menschen und ihre soziale Lebenssituation hat.

zu 4.: Seien Sie versichert: ein sozialistisches System a´la DDR ist nicht unser Ziel. Dass dies nicht funktioniert, hat die Geschichte längst bewiesen. Damit ist die Idee einer demokratischen und vor allem auf humanistische und soziale Werte orientierenden Gesellschaft nicht begraben. Konsequent aus Fehlern lernend lohnt es sich dafür einzusetzen.

zu5.: Die beschriebenen Grundprinzipien haben ihre Geltung auch im europäischen Maßstab. Gerade im globalisierten Zeitalter kann ein Staat allein die anstehenden Probleme nicht lösen. Darum kommt der Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union eine große Bedeutung zu. Ich möchte mich als Europaabgeordnete vor allem dafür einsetzen, dass die soziale Dimension innerhalb der EU verstärkt wird. Die gegenwärtige vorrangige Orientierung auf die Wettbewerbsfähigkeit hat verstärkt zu Lohn- und Sozialdumping geführt. 17% der EU-Bevölkerung sind von Armut betroffen, d.h. sie erhalten weniger als 60% der Durchschnittseinkommen. 2001 betrug die Anzahl der Armen in der EU 55 Millionen. 2005 waren es bereits 78 Millionen Menschen und die Zahl steigt weiter. Immer mehr Menschen werden in den Niedriglohnsektor gezwungen. Das muss sich ändern. Ich möchte mich für festgeschriebene soziale Standards EU-weit einsetzen anstelle von noch mehr Privatisierung, weiterem Sozialabbau und Deregulierung der Arbeitsmärkte.
Unser Ziel ist ein demokratisches, friedliches (!), soziales und ökologisches Europa. Konkrete Vorschläge dazu haben wir in unserem Wahlprogramm öffentlich gemacht.
Wenn Sie sich dazu weitergehend orientieren möchten, besuchen Sie mich auf meiner Homepage: http://www.martina-michels.de oder auf der Seite http://www.die-linke.de.

Viele Grüße
Martina Michels, MdA
Europakandidatin (Bundesliste DIE LINKE)