Martina Michels
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Frage von Nicole W. •

Frage an Martina Michels von Nicole W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Michels,

ich freue mich über Ihre Kandidatur, da ich der Meinung bin,eine Repräsentantin der WählerInnen mit geisteswissenschaftlicher Bildung ist nicht nur ein erbauliches Signal, sondern wichtig für die öffentliche Diskussion der zukünftigen Ausrichtung der EU-Politik!

Ich bin Studentin und strebe die Absolvierung des Lehramtsstudim an.

Meine Sorgen über die kaum zu beschreibenden Zustände an den Universitäten, verursacht durch die Bolognarichtlinien, wachsen seit Studiumsbeginn ins Unermessliche!
Die Finanzierung der Universitäten durch Drittmittel aus Wirtschaft, die Verschulung des Studienganges wie die mögliche Verwehrung eines Masterstudiengangs, die Herabseztung der Geisteswissenschaften bzw. die Ausweitung der Natur-,Wirtschaftswissenschaften und besonders die Entstehung vollkommen undemokratischer Studiengänge wie "Military Studies" sind für mich inakzeptabel. Da ich beobachte, dass die Bildungsreformen der letzten Jahre immer stärker darauf ausgerichtet sind, Kinder unter Leistungsdruck und Konkurrenzzwang zu drücken, habe ich ein düsteres Bild von der Zukunft. Ich persönlich halte es für gerechter, die geistig einsperrende Bolognareform rückgängig zu machen, da dass mögliche politische Engagement aller Studenten an den Universitäten bereits im Keim erstickt wird, und der Bildung im ursprünglichem Sinne wieder den Raum zu geben, den eine Gesellschaft verdient. Welche Möglichkeiten sehen Sie bezüglich der Demokratisierung an Schulen und Universitäten, dem Zugang zu kostenloser Bildung und einer humanen Gesellschaft, in der jedes Individuum einen Raum für Entfaltung und Selbstverwirklichung hat?

Ich bin gespannt auf Ihre Ideen und wünsche Ihnen Erfolg bei Ihren Unternehmungen.

Mit freundlichen Grüßen

Nicole Wagenknecht

Martina Michels
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

ich freue mich über Ihr Interesse an meiner Kandidatur.

Ich teile Ihre Kritik an der Umsetzung der Bologna-Reform. Grundsätzlich ist das Ziel der Harmonisierung zu begrüßen, solange es u.a. der internationalen Anerkennung von Abschlüssen dient und damit die Mobilität der Menschen erhöht.
Allerdings erleben wir in der Bundesrepublik, dass die Umsetzung der Bologna-Reform einen ganz anderen Effekt hat. Wie Sie richtig sagen, wurden die Studiengänge verschult und inhaltlich reduziert um die Absolventen möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Für viele BA-Studiengänge gibt es noch gar kein Berufsbild. Außerdem ist es ein Skandal, dass nicht in allen Studiengängen genügend Masterplätze vorgehalten werden. Die rigiden Anwesenheitslisten machen nicht nur ein vielseitiges Studium unmöglich, sie hindern die Studierenden auch daran, einem Nebenjob nachzugehen. Dabei wissen wir aus verschiedenen Studien, dass ca. 2/3 der Studierenden gezwungen sind neben dem Studium für Ihren Lebensunterhalt arbeiten zu gehen. Studiengebühren treiben die Studierenden zusätzlich in Verschuldungsnöte.
Deshalb setze ich mich mit meiner Partei für demokratische Hochschulen ein. Wir wollen mehr Mitbestimmung der Studierenden und des Mittelbaus herstellen. Das wäre z.B. durch die Einführung der Viertelparität in den entsprechenden Hochschulgremien möglich.
Wir erteilen jeglicher Form von Studiengebühren eine klare Absage. Berlin ist, auch dank der Regierungsbeteiligung der LINKEN, eines der letzten Bundesländer, dass z.B. keine Studiengebühren erhebt und zugleich das einzige Bundesland, in dem es einen attraktiven Tarifvertrag für die studentischen Beschäftigen gibt. Außerdem kämpfen wir für die schrittweise Einführung eines Eltern-unabhängigen BaföG. Bildung ist ein Menschenrecht und muss allen Menschen herkunftsunabhängig zustehen. Deshalb kämpfen wir auch auf Schul-Ebene für Demokratisierung und die Einführung der Gemeinschaftsschule als einer Schule für alle Kinder – ohne Selektion.
Es wird sicher äußerst schwierig die Bologna-Reform bei den politischen Mehrheitsverhältnissen in der EU einfach zurückzunehmen. Wir können aber an der Umsetzung durch die Bundesländer ansetzen. Viele von den angesprochenen Verschlechterungen wurden in den Bundesländern mit Verweis auf Bologna eingeführt, auch wenn sie dort gar nicht in dieser rigiden Ausgestaltung festgeschrieben waren. Hier müssen die Studierenden, die Beschäftigten an den Hochschulen und nicht zuletzt die Politik gemeinsam für Verbesserungen kämpfen. In Berlin ist DIE LINKE damit an vielen Punkten sehr erfolgreich gewesen und hat gute Erfahrungen gemacht z.B. im Verhindern der Studiengebühren. Ich will diese Erfahrungen in das Europaparlament tragen und für Verbesserungen streiten.
In der Hoffnung Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen,

Martina Michels