Frage an Martina Maaßen von Dagmar E. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Maaßen,
Sie haben sich hier beim Kandidaten-Check gegen eine Gesamt-Schule ausgesprochen. Inklusion betrifft doch aber nur einen geringen Teil aller Schüler. Die allergrößten Unterschiede sind doch bei Förderung und Vorbildung der Schüler und natürlich, deren teils sehr unterschiedlichen Unterstützung durch das Elternhaus zu finden. Mit dem derzeitigen Schulsystem finden meiner Meinung nach beide Lager kaum zusammen. Schüler, die zuvor Förderschulen besuchten, werden nun höchstwahrscheinlich größtenteils auf den Schulen landen, an denen der Bildungsgrad geringer ist. Meinen Sie, dass diese Schüler vornehmlich in Hauptschulen "inkludiert" werden? Wie soll das verhindert werden? Was ist ihre Begründung dafür, dass "In den Kommunen jetzt gestaltet und entschieden werden" kann?
Ich danke Ihnen für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Dagmar Elvers
Sehr geehrte Frau Elvers,
als ich las, " Sie haben sich hier beim Kandidaten-Check gegen eine Gesamt-Schule ausgesprochen" habe ich mich gefragt, ob ich mich hier falsch ausgedrückt habe, da dies ganz sicher nicht meine Haltung ist.
Im Kandidaten-Check habe ich dann noch einmal durchgeschaut, welche Antworten ich auf die einzelnen Fragen gegeben habe.
Die einzige These, die sie meinen könnten ist: Es sollte nur noch einen Schultyp für alle geben, die ich mit "ich stimme nicht zu" beantwortet habe.
Begründung: Entscheidend sind nicht eine oder mehrere angebotene Schultypen. Entscheidend ist längeres gemeinsames Lernen an inklusiven Schulen. In den Kommunen kann jetzt gestaltet und entschieden werden. Gemeinsam mit den Eltern wird den regionalen Anfordernissen Rechnung getragen.
In meiner Begründung habe ich zwar die Gesamtschule oder die Sekundarschule nicht ausdrücklich genannt, aber selbstverständlich sind diese für die Verwirklichung des längeren gemeinsamen Lernens sehr wichtig, wenn nicht sogar Voraussetzung. Das Problem ist aber leider, dass bei den Fragen im Kandidatencheck nur relativ kurze Antworten gegeben werden können, darum freut es mich, dass Sie mir diese Fragen hier noch einmal stellen.
Wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie die Sorge, dass wenige Kinder mit Inklusionsbedarf auf Kosten der übrigen Kinder gefördert werden.
Hier gilt aber: Uns Grünen ist es wichtig, dass wir kein Kind zurücklassen dürfen. Jedes Kind muss die für sich erforderliche Förderung erhalten, das gilt für Kinder mit besonders hoher Begabung selbstverständlich ebenso wie für Kinder mit normaler Begabung bis hin zu Kindern mit geistiger Behinderung. Bis dies uneingeschränkt verwirklicht werden kann, ist es sicher noch ein langer, schwerer und teurer Weg, aber gerade darum werden wir nicht die Förderschulen zu einem bestimmten Stichtag zumachen und die Kinder auf die Regelschulen verteilen.
Ihre Frage: "Meinen Sie, dass diese Schüler vornehmlich in Hauptschulen "inkludiert" werden?" Das glaube und hoffe ich nicht. Wie bereits geschrieben halte ich Gesamtschulen und Sekundarschulen für sehr wichtig, auch um den Bereich Inklusion zu verwirklichen. Es gibt aber auch eine Reihe von Beispielen gelungener Inklusion an Gymnasien, leider aber noch viel zu wenige.
Man darf bei den ganzen Schwierigkeiten, die die Inklusion gerade am Anfang mit sich bringen wird, aber auch nicht vergessen, dass integratives Lernen auch für "normale" Kinder eine Chance bedeutet, denn gerade auch von Kindern mit Lernschwächen, aus welchen Gründen auch immer, kann man eine Menge lernen.
Mit dem Satz "In den Kommunen kann jetzt gestaltet und entschieden werden." meine ich, dass die Kommunen es mit der Einführung der Sekundarschule wesentlich leichter haben, für alle Kinder vor Ort ein Schulangebot einzurichten, so dass z.B. Kinder, die das Abitur anstreben und nach Klasse 4 auf ein Gymnasium gehen würden nicht schon mit 9 oder 10 Jahren jeden Tag in ein Gymnasium fahren müssen, dass möglicherweise mit einer langen Busfahrt verbunden ist, da für die Errichtung einer Sekundarschule weniger Schüler nötig sind, als für die Errichtung einer Gesamtschule. Außerdem können Sekundarschulen, da sie keine eigene Oberstufe haben, häufiger relativ einfach in bestehende Schulgebäude einziehen.
Zu meinem Integrationsanliegen hier noch der entsprechende Auszug aus unserem Wahlprogramm:
"Recht auf gemeinsamen Unterricht durchsetzen. Wenn wir als Grüne von einer Schule für alle Kinder sprechen, schließt dies Kinder und Jugendliche mit Behinderung ausdrücklich ein. Wir streben ein inklusives Schulsystem an, wie es die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung einfordert. Schülerinnen und Schüler mit einer Behinderung haben ein Recht auf inklusive Bildung. Zur Umsetzung wollen wir die Rahmenbedingungen deutlich verbessern. Wir wollen Schulen personell und räumlich so ausstatten, dass sie die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen umsetzen können. Schulen müssen generell barrierefrei ausgebaut sein. Wir wollen einen verbindlichen Inklusionsplan aufstellen. Dazu gehört: Inklusive Lerngruppen sollen maximal eine Klassengröße von 20 Kindern haben. Kinder mit Behinderung sollen selbstverständlich auch die Ganztagsangebote wahrnehmen können. Sonderpädagoginnen und -pädagogen haben ihren festen Platz in den Regelschulen, ebenso Integrationsassistenzen."
Ich hoffe mit dieser Antwort einige Unklarheiten aus dem Weg geräumt zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Martina Maaßen