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Martina Gregersen
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Frage von Andreas R. •

Frage an Martina Gregersen von Andreas R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo,

Könnten Sie sich ein Kopftuchverbot vorstellen? Wie stehen Sie zu der Grundthese der Sozialwissenschaftlerin Kelek in beigefügtem Dokument: http://kiel.de/Aemter_01_bis_20/08/08_Infoseiten/08_Themen/08_Kopftuchdialog/080305_Vortrag_Kelek.pdf
Haben Kopftücher etwas an Schulen verloren oder muss hier der Schutz der Kinder vor ihren Eltern im Vordergrund stehen?

Grüße
A. Reichhardt

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Andreas Reichhardt,

Vielen Dank für ihre Frage. Bitte entschuldigen Sie meine sehr sehr verspätete Antwort. Keine einzige Anfrage hat mich bisher so sehr beschäftigt wie die Ihre. Schnell begann ich eine Antwort an Sie zu formulieren, ließ diese aber erst einmal sacken. Dachte dann über meine Antwort erneut nach, führte viele Gespräche, dachte weiter über das Thema nach und änderte meine Antwort an Sie erneut – ohne sie je abzuschicken. Selbstverständlich habe ich auch Ihren beigefügten Artikel "Der Kopftuchdialog – Aspekte einer Bekleidungsfrage" von Dr. Necla Kelek gelesen. Trotzdem machte es mir die Sache mit der Entscheidungsfindung nicht leichter.

Ich habe sowohl eine türkische Freundin, die ein Kopftuch trägt, als auch Freundinnen, die keine tragen und weitere islamische Freundinnen, die das Tragen von Kopftüchern vehement ablehnen.

Wie Sie sicher auch festgestellt haben, geht es bei dieser Frage um Gesetzgebung, Religion, Tradition, mediale und politische Meinungsbildung und öffentliche Auseinandersetzung und letztlich auch um die persönliche Verantwortung der Familie und der Betroffenen selbst. Die Kinder wachsen heutzutage in einer multikulturellen, modernen Welt auf und gewöhnen sich an das Leben mit anderen Religionen.
In der westlichen Welt steht das Kopftuch für Frauenunterdrückung. Oftmals ist es nicht die Entscheidung der Kinder oder Frauen, ein Kopftuch zu tragen, sondern meistens die des Familienoberhauptes.

Falls die muslimischen Mädchen ihre Religion nicht ausleben wollen oder gar die Religion wechseln wollen, dürfen sie nicht von ihrer Familie gezwungen werden, Kopftücher zu tragen. Man sollte denjenigen, die ihr Kopftuch überzeugt aus kulturellen und religiösen Hintergründen tragen, das Tragen aber nicht verbieten.

Diejenigen, die das Kopftuch unter Zwang tragen, denen kann man nicht einfach ein Verbot aufsetzen. Solche Verbote würden erhebliche Probleme in der Familie herbeirufen, die große Auswirkungen auf das Zusammenleben haben könnten.
Dann würde man zwar Vielen, die unter Zwang das Kopftuch tragen, helfen, jedoch würden sehr viele Probleme hinzukommen, die das Leben des Betroffenen eindeutig schwerer machen.
Es sollte auf schulischen Veranstaltungen oder Elternabenden mit islamischen Eltern über das Tragen von Kopftüchern geredet werden. Vielleicht erkennen die Eltern, dass das Tragen in der Schule nicht unbedingt notwendig ist. So kann man viele Probleme einfach umgehen. Wenn die Eltern erst einmal ihren Kindern das Vertrauen geben, am Schulunterricht ohne Kopftuch teilnehmen zu können, können die islamischen Kinder beruhigt zur Schule gehen. Sie müssen sich keine Sorgen machen, da sie mit Einverständniserklärung ihrer Eltern keine Kopftücher tragen müssen. Sie werden eventuell nicht mehr diskriminiert oder gemobbt. Dadurch können sie sich viel besser integrieren.

Als Politikerin haben sie selbstverständlich das Recht darauf, von mir eine klare Aussage als Antwort zu erhalten. Ich komme aber zu keinem klaren Ergebnis. Man kann keine eindeutige Antwort auf die Frage geben. Wie Ihnen sicher aufgefallen ist, entstehen durch ein Kopftuchverbot viele andere Probleme. Diese muss man wiederum bewältigen. Es gibt keine Antwort, ohne jemandem zu schaden.

Solange ein Mädchen oder eine Frau ein Kopftuch unter Zwang tragen muss, bin ich für ein Verbot. Wenn diese es aber freiwillig aus Überzeugung ihrer Religion und ohne jeden Zwang tragen, bin ich für das Tragen eines Kopftuches.
Ich weiß, dass ich bei der Antwort auf ihre Frage viel herumspringe. Aber ich möchte ihnen nach so langer Zeit lieber endlich eine Antwort zusenden, als sie noch viele weiter Wochen und Monate warten zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Gregersen