Frage an Martina Gregersen von Ronald D. bezüglich Soziale Sicherung
Frau Gregersen,
auch mich als einer von vielen Hartz IV Yuppies,würde Ihre Haltung zu besagtem Gesetz brennend interessieren.
Als ehemaliger Wähler Ihrer Partei verfolge ich nun seit Jahren die Entwicklung der Grünen.
Zu meinem Erstaunen mußte ich feststellen das es Ihrer Partei gelungen ist,im Laufe der Jahre die bessere FDP zu werden.
Schade eigentlich!
MfG
Ronald Deppe
Sehr geehrter Herr Deppe,
schade, dass Sie uns als Wähler verloren gegangen sind. Aber immerhin betrachten Sie uns ja wenigstens noch als die bessere FDP! Aber nun zu Ihrer Frage, was ich persönlich von Hartz IV halte.
In der Berichterstattung wird das Vierte Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) immer wieder als reine Sozialabbaumaßnahme dargestellt. Die sozialpolitischen Fortschritte, die mit der Umsetzung von Hartz IV eindeutig erreicht wurden, sind dagegen im Dunkeln geblieben. Dieses schiefe Bild der größten Reform unseres sozialen Sicherungssystems in der Nachkriegszeit möchte ich in der Beantwortung Ihrer Frage gerne geraderücken.
Was war die Ausgangslage? In einer Zeit, in der wir uns zum einen mit hohen Arbeitslosenzahlen und zum anderen mit steigenden Zahlen von SozialhilfeempfängerInnen konfrontiert sahen (und das nicht erst in den vergangenen Jahren, sondern schon seit Mitte der 70er Jahre) und nachdem die CDU sich 16 Jahre weigerte, sich dieser Aufgabe zu stellen, musste das System der sozialen Sicherung diesen Veränderungen endlich angepasst werden.
Ich möchte das gerne näher erläutern.
1. Das bisherige System der Sozialhilfe war als letztes Auffangnetz unserer sozialen Sicherung geknüpft und hat diese Aufgabe auch bis Mitte der 70er Jahre erfüllt. Es war ebenso wie die Arbeitslosenhilfe eine steuerfinanzierte Fürsorgeleistung. Allerdings hatten die SozialhifleempfängerInnen keinen Anspruch auf Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik der Bundesagentur für Arbeit. Diese Tatsache hat zusammen mit problematischen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt dazu geführt, dass es so gut wie keine Perspektive für viele SozialhilfeempfängerInnen gab, aus dieser Lage herauszukommen. Das ist die erste Verbesserung, die wir mit Hartz IV erreicht haben: Wir haben Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfänger gleichgestellt und geben ihnen nun Hilfe aus einer Hand. Das Arbeitslosengeld II bietet für ehemalige Sozialhilfeempfänger ein zuverlässiges Auffangnetz und verknüpft dieses erstmals mit neuen Chancen auf dem Arbeitsmarkt und baut Brücken in die Beschäftigung. Durch Beiträge an die gesetzliche Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ist gewährleistet, dass Phasen der Erwerbslosigkeit nicht zu Leistungsausfällen in den anderen Sicherungssystemen führen.
2. Die bisherige Vermittlungspraxis der Bundesagentur für Arbeit (ehemals Bundesanstalt) war dringend verbesserungsbedürftig. Bisher musste ein Sachbearbeiter der Bundesagentur 350 bis 800 Menschen betreuen. Jetzt wird dieser Betreuungsschlüssel 1: 75-150 betragen. Der Betreuer wird seine Klienten besser kennen und sich intensiver um ihre Vermittlung kümmern können. Eine detaillierte auf den Einzelfall abgestimmte Eingliederungsvereinbarung fördert die Integration in den Arbeitsmarkt.
Trotz dieser wichtigen Änderungen, möchte ich nicht verschweigen, dass die mit Hartz IV einhergehende verbesserte Vermittlungspraxis nur ein Baustein ist, das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit zu lösen. Andere Maßnahmen werden folgen müssen.
Auch möchte ich nicht verschweigen, dass ich trotz der oben genannten Verbesserungen nicht alle Rahmenbedingungen und Auswirkungen von Hartz IV für glücklich halte. Aber das geht mir bei vielen Bereichen die sich erst unter Unionsdruck im Vermittlungsausschuss entscheiden so.
Sorry, dass Sie so lange auf Antwort warten mußten, aber ein umfangreicher Antrag von mir zur Verbesserung des für Hamburg vorgelegten Gesetzentwurfs zur Gleichstellung für Menschen mit Behinderung hat in den letzten Wochen viel Zeit gebunden.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Gregersen