Frage an Martin-Sebastian Abel von Christoph S. bezüglich Staat und Verwaltung
Halten Sie es für gerecht, dass ich als Richter im Gegensatz zu vielen anderen Staatsbediensteten keine Erhöhung meiner Bezüge erhalte?
Bitte bedenken Sie, dass meine Bezüge wahrlich nicht so hoch sind, dass ich einen Teil zur Vermögensbildung weglegen kann. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerung habe ich eine reale Lohnkürzung hinzunehmen, und ich muss meinen Lebenstandart einschränken. Andere Beamte nicht?
Können Sie nachvollziehen, dass ich dies als Verletzung von Art. 3 I GG ansehe, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind?
Warum sind die Bezüge nicht für alle Beamten in gleicher Weise erhöht worden?
Letzte Frage: Wie lange wird diese Politik der Benachteiligung brauchen, bis ich als Richter ein geringeres Einkommen als ein Beamter des gehobenen Dienstes habe? Wird wenigestens ab dann mein Gehalt so erhöht wie das der anderen?
Sehr geehrter Herr Schulte,
vielen Dank für Ihre Frage.
Nein, es ist nicht gerecht, dass Sie für Ihre Leistung und Ihre Qualifikation den Tarifabschluss nicht 1:1 übertragen bekommen! Ich will Ihnen erklären, warum ich unsere Entscheidung unter den gegebenen Möglichkeiten dennoch für die gerechteste der möglichen Lösungen erachte:
Unsere Entscheidung ist getragen von der Notwendigkeit, spätestens im Jahr 2020 die Schuldenbremse einhalten zu müssen. Dafür müssen wir bis 2020 strukturell fast 2,4 Mrd. Euro einsparen. Trotz dieses Sparziels wollen wir auch weiterhin eine Politik betreiben, die sich aus einem Dreiklang aus Sparen, Investieren und der Verbesserung der Einnahmen speist. Die Personalausgaben machen insgesamt einen Anteil von 43,5% am Gesamthaushalt aus. Diese Ausgaben bei einer umfassenden Überprüfung auszuklammern, war deshalb unmöglich. Die 1:1-Übertragung des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst würde das Land zusätzlich 1,32 Mrd. Euro kosten. Wir haben daher für 2013 und 2014 eine Abwägungsentscheidung getroffen:
- Kein Stellenabbau, da dies die Arbeitsbelastung im Öffentlichen Dienst massiv erhöhen würde. Im Bildungssektor wird nicht gekürzt. Wir wissen: Nicht nur bei Polizei, Strafvollzug, bei den Hochschulen und in vielen Landesbehörden wird schon jetzt viel Mehrarbeit geleistet. Es sollen keinen Stellen nach dem Rasenmäher-Prinzip gekürzt werden.
- Kein genereller Beförderungsstopp, da dieser leistungshemmend wirken würde.
- Keine Kürzungen beim Weihnachtsgeld oder den Pensionen, da dies Haushaltseinkommen direkt schmälern und Lebensplanungen erschweren würde.
- Keine Ausweitung der Arbeitszeit, da dies zu zusätzlicher Arbeitsbelastung führen würde.
Wir haben uns für eine sozial gestaffelte Umsetzung des Tarifabschlusses entschieden, da wir glauben, dass die unteren Besoldungsgruppen steigende Lebenshaltungskosten besonders getroffen werden. Diese Lösung bedeutet Mehrkosten für das Land in Höhe von über 600 Mio. Euro.
Eine 1:1 Übertragung auf alle Gehaltsgruppen würde uns jedes Jahr zusätzlich 700 Mio. Euro kosten. 700 Millionen entsprechen etwa 14.100 Stellen im öffentlichen Dienst, oder die Hälfte aller Förderprogramme des Landes. Das heißt, wir stehen vor der Abwägung, massiv Angestellte zu entlassen, Beamtenstellen abzubauen oder Theater, Museen, Frauenhäuser, Kinder- und Jugendeinrichtungen zu schließen, um für Gehaltsgruppen ab A13 auch die Tariferhöhung umzusetzen. Eine Erhöhung der Neuverschuldung kommt aufgrund der im Grundgesetz verankerten und bereits erwähnten Schuldenbremse nicht in Betracht.
Die finanzielle Ausstattung des Landes und die Schuldenbremse lassen eine andere Entscheidung nicht zu. Insofern haben wir keine normale Haushaltslage, im Gegenteil: die Haushaltslage ist dramatisch und wir kämpfen um jeden Euro, damit wir die Neuverschuldung auf null reduzieren. Bereits mit dem Haushalt 2013 müssen wir sehr schmerzhafte Einschnitte vornehmen. Es geht also nicht darum, dass wir Ihnen die Weitergabe der Tariferhöhungen nicht gönnen, aber wir können faktisch ohne Kahlschlag keinen 1:1 Übertrag leisten.
Was wäre die Alternative? Die CDU hat beantragt, in den nächsten Jahren 6.000 Lehrerstellen einzusparen, um den Haushalt zu sanieren. Außerdem möchte sie die 1:1-Umsetzung des Tarifabschlusses. Hierzu wäre ein sofortiger Abbau weiterer Stellen erforderlich, die zu einem erheblichen Teil im Schulbereich zu erbringen wären. Gerade weil wir die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer sehr wertschätzen und die Anforderungen im Beruf kennen, halten wir einen Stellenabbau wie ihn CDU und FDP vorsehen für unverantwortlich.
Sie schreiben, dass Sie keine Vermögensrücklage bilden können. Ich verstehe das und weiß, dass es auch bei vermeintlich hohen Einkommen auf die persönliche/familiäre Situation ankommt und Sie eventuelle Vorsorge für Ihre Familie treffen müssen/möchten oder Belastungen durch Pflegekosten, Krankheit etc. haben. Sie brauchen das nicht zu erläutern, ich will damit nur sagen, dass wir die Entscheidung nicht mit Blick auf die Tabelle mit der Höhe der Gehälter in den Gehaltsgruppen gefällt haben, nach dem Motto "boar, guck mal, was die verdienen." Zudem steht hinter höheren Gehaltsgruppen meist, oder es sollte so sein, eine entsprechende Qualifizierung. Damit impliziert ist eine lange Zeit von Entbehrungen, Prüfungen und persönlichen Einsatz. Dennoch ist nicht von der Hand weisen, dass höhere Gehaltsgruppierungen die gestiegenen Lebenshaltungskosten leichter ausgleichen können, als die unteren Gehaltsgruppen (auch diese brauchen entsprechende Qualifikationen und leisten viel).
Zum Gleichheitsgrundsatz können Sie mir wahrscheinlich mehr erzählen, als ich Ihnen. Angewendet auf die aktuelle Situation hätte dies wahrscheinlich zur Folge gehabt, das alle Gruppierungen einen geringen Aufwuchs bekommen oder gar keinen.
Dies halte ich nach meiner Abwägung für die schlechtere Lösung. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen keine andere Antwort geben kann. Es ist aber deutlich geworden, dass es bei unserer Entscheidung nicht um mangelnde Anerkennung für Ihren Dienst geht, hoffe ich...
Freundliche Grüße
Martin-Sebastian Abel